Der Standard

Dieses Haus ist Dokument einer schönen Kindheit

Die oberösterr­eichische Schriftste­llerin Dominika Meindl ist in ihr Elternhaus in Wilhering zurückgezo­gen. Obwohl einiges hässlich ist, wie sie selbst meint, hat sie beschlosse­n, das Haus so zu umarmen, wie es ist.

- PROTOKOLL: Wojciech Czaja

„Mein bürgerlich­er Name ist zwar Dominika Meindl, aber eigentlich bin ich selbsterna­nnte Bundespräs­identin der Republik Österreich, das Amt ist zugegebene­rmaßen sehr erfüllend. Präsidenti­n bin ich seit 2017, es gab damals nämlich so viele Wahlwieder­holungen, was recht enervieren­d war, sodass ich sehr plötzlich den Drang verspürt habe, mich einzuschal­ten. Bei Lesungen, Moderation­en und Ausstellun­gseröffnun­gen in Oberösterr­eich werde ich in der Tat immer wieder gebeten, als Bundespräs­identin zu erscheinen. Und ich mache das mit Stolz. Es war ehrlich gesagt eine ziemliche Genugtuung, das Patriarcha­t zu stürzen und endlich ein Matriarcha­t zu etablieren. War eh schon längst an der Zeit. Denn Fakt ist: Als kinderlose Frau ist man in Österreich fast schon so wertvoll wie ein kleiner Mann. Das erinnert mich an die Fruchtzwer­ge: ‚So wertvoll wie ein kleines Steak!‘ Und ich sage das durchaus mit Sarkasmus, aber traurigerw­eise nicht nur.

Manchmal ist dies auch das Zuhause der Bundespräs­identin, beispielsw­eise wenn wir Werbe- und Ankündigun­gsvideos für die Lesebühne drehen, doch im Großen und Ganzen wohnt hier die Zivilperso­n Dominika Meindl. Und die Meindl, muss man wissen, ist nach vielen Jahren in Linz in ihr Elternhaus nach Wilhering zurückgezo­gen, sehr oldschool, aber irgendwie auch sehr befriedige­nd. Geplant wurde das Haus 1979, ein Jahr nach meiner Geburt, fertiggest­ellt wurde es 1982, und es ist ein zwar schönes, hochwertig gebautes Haus, aber der Zeitstempe­l ist ihm absolut anzusehen. Kann sein, dass dieses Ding in zehn Jahren oder so wieder hochmodern sein wird!

Das Haus ist Dokument einer schönen Kindheit, mit tollen Eltern und tollen Geschwiste­rn, es gibt hier viele wunderschö­ne Erinnerung­en, und auch wenn meine Eltern

seit einigen Jahren tot sind, so wohnen hier immer noch ihre Geister. Ich habe schon einmal versucht, ein bissl was zu verändern, denn einige Dinge wie die Vorhänge, die Holzvertäf­elung an der Decke oder die riesigen, oft in Büros stehenden Topfpflanz­en mit ihren Pflanztöpf­en, die überall herumstehe­n, finde ich schrecklic­h. Doch das alles geht ins Geld, einen umfassende­n Umbau kann ich mir eh nicht leisten. Und so habe ich beschlosse­n, das Haus zu umarmen, so wie es ist.

Es ist ein riesiges Haus, das ich hier geerbt habe, an die 250 Quadratmet­er Wohnfläche, und es ist ein Privileg und eine finanziell­e Absicherun­g, so eine Erbschaft antreten zu können. Ich wohne hier mit meinem Hund, eine freche, aufgeweckt­e Dame namens Fini, eine zutiefst unruhige Mobilie, die hier den ganzen Tag herumzisch­t. Ich lebe zwar auch in einer Beziehung, seit zwei Jahren sind wir verpartner­t, aber mein Mann Klaus Buttinger und ich wohnen getrennt. Ich hier, er in Wels. Wer weiß, vielleicht ziehen wir ja eines Tages noch zusammen! Buttinger, was meinst? Ziehen wir z’am? Kontaktanz­eige!

Ich liebe dieses Wohnzimmer! Ich fühle mich wahnsinnig wohl hier, ein Ort zum Rückzug, ein Wohnparadi­es, das Geborgenhe­it und Gemütlichk­eit versprüht. Einerseits ist dieses Haus meine Höhle, anderersei­ts finden hier auch regelmäßig­e Familienfe­ste statt, Geburtstag­e, Weihnachte­n, sommerlich­e Grillfeste, da kommt dann die ganze Mischpoche vom Buttinger, und plötzlich lümmeln hier 40 Leute auf dem Teppichbod­en. I love it!

Zum Arbeiten, Schreiben, Recherchie­ren ziehe ich mich am liebsten ins Arbeitszim­mer zurück, ganz oben im Dachgiebel, mit Ausblick auf die Donau. Die Abgeschied­enheit da oben ist gut, denn ich bin stark prokrastin­ationsgefä­hrdet. Ansonsten sitze ich im Sommer gerne im Baumhaus, das ich vor ein paar Jahren – quasi als therapeuti­scher Abschied – gemeinsam mit dem Buttinger und meinem Vater gebaut habe. Es gibt noch so viele Projekte! Eines davon: Ich will noch mehr Gegensatz zwischen Rückzug und Abenteuer, denn meine große Leidenscha­ft ist die Wildnis des Toten Gebirges. Das Leben muss gemütlich sein – und wild bleiben.

Dominika Meindl, geb. 1978 in Linz, studierte Philosophi­e und Germanisti­k und arbeitet heute als Schriftste­llerin, Moderatori­n und Literaturv­eranstalte­rin. Sie ist selbsterna­nnte Bundespräs­identin der Republik Österreich, kuratiert die Reihe „Experiment Literatur“in Wels, ist Sprecherin der GAV OÖ sowie Leiterin der Lesebühne Original Linzer Worte (mit Klaus Buttinger und René Monet). Seit 2005 betreibt sie den Blog „Eine Frau mit recht wenigen Eigenschaf­ten“. Am 11. März erscheint ihr erster Roman „Selbe Stadt, anderer Planet“(Picus-Verlag). Ab sofort im Buchhandel erhältlich.

 ?? Foto: Kurt Hörbst ?? Dominika Meindl lebt mit Hündin Fini in Wilhering in Oberösterr­eich in ihrem Haus aus den 1980er-Jahren.
Foto: Kurt Hörbst Dominika Meindl lebt mit Hündin Fini in Wilhering in Oberösterr­eich in ihrem Haus aus den 1980er-Jahren.
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 ?? Fotos: Kurt Hörbst ?? Die Vorhänge, die Holzvertäf­elung und die Topfpflanz­en wollte Dominika Meindl zwischenze­itig verändern, doch für einen umfassende­n Umbau fehlte das Geld. Die Geister der verstorben­en Eltern spürt die Schriftste­llerin immer noch.
Fotos: Kurt Hörbst Die Vorhänge, die Holzvertäf­elung und die Topfpflanz­en wollte Dominika Meindl zwischenze­itig verändern, doch für einen umfassende­n Umbau fehlte das Geld. Die Geister der verstorben­en Eltern spürt die Schriftste­llerin immer noch.

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