Grazer Prozess um „Breaking Bad“-Drogenlabor
Beide Angeklagte bekennen sich zu Suchtmitteldelikten teilweise schuldig, Zweitangeklagter spricht von Drohungen gegen ihn
Zwei ungleiche Angeklagte sitzen am Freitag vor Richterin Julia Noack und Schöffen am Grazer Straflandesgericht: Der Erstangeklagte, ein selbstbewusster Mittfünfziger, ist studierter Verfahrenstechniker, der immer wieder begeistert chemische Prozesse erklärt. Der andere, ein drei Jahre jüngerer Rumäne und gelernter Dreher, betont oft zerknirscht: „Ich sage immer die Wahrheit.“Die beiden haben jahrelang zusammengearbeitet. Der Erstangeklagte, der 2023 als Breaking Bad-Burschenschafter bekannt wurde, soll Crystal Meth und Mephedron hergestellt und verkauft haben. Sein Komplize soll ihm beim Verkauf geholfen und auf seinen Namen eine Wohnung für das Labor des mittlerweile aus seiner Burschenschaft und der FPÖ ausgeschlossenen Erstangeklagten angemietet haben. Zudem habe er Pakete mit Substanzen entgegengenommen.
Zu den Drogendelikten sind beide geständig, der Erstangeklagte, der vom auch für die FPÖ tätigen Anwalt Bernhard Lehofer vertreten wird, bestreitet die vorgeworfene Menge. Der Bruder des Erstangeklagten, den Zeugen den „Koch“nannten, weil er in seinem Geheimlabor in Graz Drogen „kochte“, ist ein hochrangiger FPÖ-Politiker.
Suchtkrank und vorbestraft
Der Erstangeklagte wurde 2021 wegen Suchtgifthandels und unerlaubten Umgangs mit Drogenausgangsstoffen verurteilt. Er setzte seine Labortätigkeit bald darauf in der neuen Wohnung fort. Er sei eben schwer suchtkrank, begründet das sein Anwalt, und wollte nicht „in den Stadtpark gehen, sondern das mit seinen Fähigkeiten selbst herstellen“. Auch von einer Verurteilung nach dem Waffengesetz will der Erstangeklagte erzählen: „Da ging es um zwei Bundesheerpatronen …“, beginnt er. „Keine Details!“, wird er von Anwalt Lehofer je unterbrochen.
Er gibt zudem an, er arbeite als geringfügig Beschäftigter für eine Firma für doppelwandige Gläser. Eine solche Firma hat der erwähnte Bruder des Angeklagten. Beide Angeklagten sitzen seit dem Vorjahr in UHaft. Vorgeworfen wird dem Erstangeklagten von Staatsanwältin Ines Reichenwallner auch der sexuelle Missbrauch einer durch Drogen wehrlos gemachten Frau, die als „Gegenleistung“für Drogen von ihrem Vater dem Erstangeklagten quasi angeboten wurde. Dem Zweitangeklagten wird die Vergewaltigung eines durch betäubten Mannes vorgeworfen.
Zu diesen beiden Punkten bekennen sich beide Männer nicht schuldig. Lehofer begründet das für seinen Mandanten so: „Sie hat ja die Drogen selbst genommen“, und „sie hatte Reizwäsche an“, wie auf Fotos im Akt zu sehen sei. Zudem hatte sie mit dem Angeklagten öfter Geschlechtsverkehr. Staatsanwältin Reichenwallner betonte, dass die „sehr zierliche Frau sehr konsistent ausgesagt“habe.
Der Zweitangeklagte sieht hinter dem Vergewaltigungsvorwurf überhaupt ein „Komplott“, weil der Bruder des Erstangeklagten „ein mächtiger Politiker“und seine Tochter Polizistin sei. Er sei in der Haft bedroht worden, sagt er. Von wem, wollen Richterin und Lehofer wissen. Ein Afghane habe ihm im Gefängnishof angeredet. „Ein Afghane?“, ruft Lehofer ungläubig. Es wäre nicht das erste Mal, dass man jemanden schickt, wendet die Staatsanwältin ein. Die Richterin fragt angesichts der Chats und der darin enthaltenen Spitznamen zwischen den Angeklagten – die sich Opi und Daddy nennen – nach: „Ihr habt ein eigenartiges Verhältnis zueinander.“
Sie will mehr über das Verhältnis zwischen der beiden Männern wissen. Der Zweitangeklagte sagt dann, es sei bis etwa Anfang 2022 über die geschäftliche Beziehung hinausgegangen.
„Gute Menschen“
Der Ex-Burschenschafter rechnet dann in seiner Befragung vor, warum die in der Anklageschrift angegebenen Mengen nicht stimmen könnten, dass er nicht Crystal Meth, sondern eine weitaus weniger wirksame Variante produziert habe. Einige Substanzen im Geheimlabor habe er nur verwendet, um Gold aus Computerschrott zu lösen und in Ungarn zu verkaufen.
Ein Ermittler erörtert chemische Prozesse mit dem Chemiegutachter Martin Schmid. Man ist sich nicht sicher, ob man dem Erstangeklagten glauben kann, dass er mit selbst gemachter Salpetersäure Gold aus Computerschrott lesen könne. Auch sehe man den vom „Koch“ins Treffen geführte Unterschied zwischen Crystal Meth und Methamphetamin nicht als juristisch wichtig.
Zuvor sorgte aber auch noch ein illuminierter Zeuge für Aufsehen. „Ich will ehrlich mit Ihnen sein, ich bin unter Alkohol“, sagt er. Richter Lichtenberg meint, es sei wohl „ned nur“Alkohol im Spiel, „aber des werma schon hinkriegen“. Der Zeuge erzählt dann kichernd, dass er beide Angeklagten kenne und sie „gute Menschen“seien, die ihm „sehr geholfen haben, als es mir nicht gut gegangen ist“. Lehofer unterbricht die Befragung, die ihm „doch ein bissl zu gruselig ist, da geht’s ja um was, und der ist nicht Herr seiner Sinne“. Die Richterin vertagt die Verhandlung auf den 21. Juni.