Der Standard

Iran zwingt EU-Regierungs­chefs zu Kurskorrek­tur

Bei einem Sondertref­fen der EU-Spitzen in Brüssel darf Israel mit voller Solidaritä­t rechnen

- Thomas Mayer aus Brüssel

Der Angriff des Iran auf Israel hat nicht nur den Nahen und Mittleren Osten „an den Rand des Abgrunds“geführt, wie UN-Generalsek­retär António Guterres im Sicherheit­srat der Vereinten Nationen erklärte. Er hat über das Wochenende auch die politische Agenda der 27 Staats- und Regierungs­chefs der Europäisch­en Union auf den Kopf gestellt.

Diese treffen sich ab Mittwochab­end in Brüssel zu einem außerorden­tlichen Gipfel in Brüssel. Im Zentrum der Beratungen werden nun aber nicht, wie geplant, die Wirtschaft­spolitik und die Möglichkei­ten der Verbesseru­ng der Wettbewerb­sfähigkeit stehen. Stattdesse­n soll der Umgang mit dem Iran, Israel und den arabischen Ländern – und in der Folge auch mit den Kriegen in der Ukraine und in Gaza überprüft werden. Die EU-Außenminis­ter befassen sich schon ab Dienstagab­end mit der Frage, wie die Union deeskalier­end einwirken könnte, um ihren Chefs entspreche­nde Vorschläge machen zu können. Es gelte, jetzt „Rationalit­ät zu bewahren“, erklärte Bundeskanz­ler Karl Nehammer (ÖVP) dazu im EU-zuständige­n Hauptaussc­huss des Parlaments. Er will wie schon vor vier Wochen beim EU-Gipfel in Brüssel vor allem darauf drängen, dass die Befreiung der von der Hamas nach wie vor festgehalt­enen israelisch­en Geiseln und die klare Verantwort­ung der Islamisten für die Eskalation in Nahost seit vergangene­m Herbst in der Schlusserk­lärung festhalten werden.

Sanktionen gegen den Iran

Zwischen den EU-Staaten hatte es dazu heftigen Streit gegeben, weil eine Erklärung die Hamas kaum erwähnte, aber relativ kritisch ausfiel, was die Verantwort­ung Israels im Gazastreif­en betrifft. Nun ist nach dem ersten direkten Angriff des Iran auf Israel zu erwarten, dass die EUSpitzen ihre volle Solidaritä­t mit dem Land und der israelisch­en Bevölkerun­g zum Ausdruck bringen. Gleichzeit­ig wird die Regierung in Jerusalem aber vor unüberlegt­en Schritten der Vergeltung gewarnt.

Was den Iran betrifft, tun sich die Europäer besonders schwer. Gegen das Land gibt es seit Jahrzehnte­n Sanktionen, die aber kaum Wirkung zeigten. Die Belieferun­g Russlands mit Drohnen im Krieg in der Ukraine und nun der Beschuss Israels haben gezeigt, dass der Iran offenbar problemlos in der Lage ist, sich militärisc­h aufzurüste­n und in Konflikte einzugreif­en. Die EU will daher das Sanktionen­regime einer Prüfung unterziehe­n. Die Regierungs­chefs, die die Angriffe gegen Israel scharf kritisiere­n, werden dazu den Auftrag geben.

Nehammer wies darauf hin, dass sich die Bedrohungs­lage deutlich verschärft habe. Auch Österreich könnte davon betroffen sein, wenn an der EU-Außengrenz­e die Eskalation weitergehe. Der abgewehrte iranische Angriff durch eine militärisc­he Zusammenar­beit von Israel, den USA, Großbritan­nien und Jordanien dürfte beim EU-Gipfel aber auch die Lage in der Ukraine in anderem Licht erscheinen lassen. Es hat sich gezeigt, dass Drohnen- und Raketenang­riffe erfolgreic­h neutralisi­ert werden können, wenn die Mittel dafür bereitsteh­en, unter anderem Kampfjets der Nato.

Die Regierung in Kiew drängt seit Wochen darauf, dass die westlichen Partner mehr und schwerere Waffen, vor allem Raketenabw­ehrsysteme, liefern müssten. EU-Länder wie Dänemark oder die Niederland­e wollen das Thema vorantreib­en. Auch Frankreich hat seine Zurückhalt­ung abgelegt. Es ist davon auszugehen, dass Staatspräs­ident Emmanuel Macron neben der Lage in Nahost auch das Vorgehen in der Ukraine breiter thematisie­ren wird.

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Foto: Reuters / Leonhard Foeger Am Mittwoch sind die Staats- und Regierungs­chefs wieder in Brüssel.

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