Die größte Show in New York
Ein Nickerchen, viel Empörung und ein Spendenaufruf: Der Auftakt des Schweigegeld-Prozesses gegen Donald Trump in New York bietet reichlich Spektakel. Viermal in der Woche muss er sich nun vor Gericht einfinden.
Ist er tatsächlich eingedöst, gegen Mittag, auf der Anklagebank im New Yorker Strafgericht? „Fake News“, behaupten seine Anhänger. Aber Maggie Haberman von der New York Times hat es mit eigenen Augen gesehen: „Sein Kopf fiel nach unten. Er beachtete eine Notiz nicht, die ihm sein Anwalt gab. Sein Kiefer sackte ständig auf die Brust und sein Mund stand offen.“
Donald Trump vom Schlaf übermannt? Kameras sind im Gerichtssaal nicht erlaubt, aber Haberman ist glaubwürdig. Und Müdigkeit passt so gar nicht zum Selbstbild des 77Jährigen, der sich zuvor wild empört hatte: „Dies ist ein Anschlag auf Amerika.“„Sleepy Don“, lästern seine Gegner nun im Netz. Die Kampagne des republikanischen Präsidentschaftskandidaten hält dagegen: „Ich stehe gerade vor Gericht“, lässt sie Trump in einem Bettelbrief sagen: „An diesem dunklen Tag brauche ich deine Unterstützung!“
So also beginnt der wohl einzige Strafprozess gegen Trump, der vor der Wahl abgeschlossen wird – mit stundenlangen Live-Sendungen im Fernsehen, gegensätzlichen Wahrnehmungen im Netz und Spendenaufrufen. Irgendwie ist das typisch für ein Spektakel à la USA.
CNN-Moderator Jake Tapper kann gar nicht oft genug sagen, wie „historisch“dieser Moment sei, an dem erstmals einem Ex-Präsidenten eine Gefängnisstrafe drohe. Tatsächlich scheint das eher unwahrscheinlich; in dem Prozess geht es nämlich nicht um seine Beteiligung an der versuchten Wahlfälschung und dem Kapitolsturm vom 6. Jänner 2021. Verhandelt wird vielmehr, ob Trump eine Schweigegeldzahlung von 130.000 Dollar nach einer Affäre mit der ExPorno-Darstellerin Stormy Daniels durch fingierte Buchungen in seinen Geschäftsunterlagen zu kaschieren versuchte.
Vor dem Kadi
Gleichwohl hat der Prozess etwas Faszinierendes. Das liegt nicht nur an dem schlüpfrigen Sujet. Erstmals muss ein Präsidentschaftsbewerber nämlich eine wichtige Strecke des Wahlkampfs vor dem Kadi verbringen. Sechs Wochen solle das Verfahren dauern, kündigt Richter Juan Merchan an – eine optimistische Schätzung. Es können auch zwei Monate werden. In denen muss sich Trump jeden Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag aus seinen güldenen Gemächern im Trump Tower oder in Mar-a-Lago in einen schmuddeligen Justizbau im Süden Manhattans begeben. Dort warten Staatsanwalt Alwin Bragg, Richter Merchan und zwölf Geschworene auf ihn.
Die Geschworenen aber müssen erst einmal ausgewählt werden. Mehr als 500 Bürgerinnen und Bürger haben die Aufforderung erhalten, sich bereitzuhalten. Die Jury soll unparteiisch sein, was angesichts der medialen Omnipräsenz des Falles und der Demografie von Manhattan, wo nur 13 Prozent Trump gewählt haben, nicht einfach ist. Von den 96 potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten erklären sich am ersten Tag gleich 50 für befangen und können nach Hause gehen, weitere scheiden aus anderen Gründen aus. Der Rest muss langwierige Einzelbefragungen über sich ergehen lassen. Am Ende kommen ein Buchhändler, eine Krankenschwester, ein Vize-Bezirksstaatsanwalt und die Mitarbeiterin eines Sportwetten-Anbieters in die engere Wahl.
Trump und seine Anwälte versuchen den Prozess zu verzögern. Richter Merchan müsse wegen Befangenheit abgelöst werden, fordern sie. „Nehmen Sie mir den Maulkorb ab!“, attackiert der ExPräsident zudem auf seiner Propagandaplattform Truth Social eine richterliche Auflage, die ihm Drohungen und Beleidigungen gegen andere Prozessbeteiligte verbietet.
Und dann, natürlich, die Terminierung: Trump fordert freie Tage für das jüdische Pessach-Fest, seinen Prozess vor dem Supreme Court, Wahlkundgebungen und die Graduierungsfeier seines Sohnes Barron. Der Richter macht eine Rücksichtnahme auf die Familienangelegenheit davon abhängig, wie zügig der Prozess vorankommt.
Empörter Papa
Trump ist empört. „Wer wird meinem wunderbaren Sohn Barron, der ein großartiger Schüler auf einer fantastischen Schule ist, erklären, dass sein Vater wahrscheinlich nicht an der Graduierungsfeier teilnehmen kann, über die wir seit Jahren gesprochen haben?“, postet er.
Das könnte wirklich schwierig werden. Nicht immer hat der seit 2005 mit seiner dritten Frau Melania verheiratete Ex-Reality-Star die Familie nämlich so wichtig genommen: Ihr gemeinsamer Sohn Barron war gerade vier Monate alt, als Trump jene wilde Nacht mit Stormy Daniels verbrachte, ohne die es den ganzen Prozess nicht geben würde.