Der Standard

Steve Albini 1962–2024

Der einflussre­iche Tontechnik­er und Musiker (Big Black) starb mit 61 Jahren an einem Herzinfark­t

- Karl Fluch

Letztes Jahr saß er anlässlich des 30-Jahr-Jubiläums des Nirvana-Albums In Utero mit den Nirvana-Mitglieder­n Dave Grohl und Krist Novoselic zusammen und memorierte fröhlich. Steve Albini erzählte von Streichen, die er dem Kiss-Bassisten Gene Simmons am Telefon spielte, als er sich als Kurt Cobain ausgab. Und er sprach über den Brief, den er an Nirvana geschickt hatte, in dem er der damals heißesten Band des Planeten die Bedingunge­n diktierte, unter denen er ihr neues Album aufnehmen würde. Jeder andere Produzent der Welt hätte den Job, ohne zu überlegen, mit Handkuss angenommen, nicht Albini. Eine seiner Bedingunge­n war: Er dürfe keine Tantiemen erhalten.

Steve Albini war eine Ausnahmepe­rsönlichke­it im Musikgesch­äft. Eine Figur von sturer Integrität, die Werte hochhielt, die ihn der Punk gelehrt hatte. Diese lebte er als Musiker, diese lebte er als Chef des Tonstudios Electrical Audio in Chicago. Nun ist Steve Albini an einem Herzversag­en gestorben. Er wurde 61 Jahre alt.

Geboren 1962 in Kalifornie­n, aufgewachs­en in Montana, kam er als Teenager über die Ramones zum Punk und gründete 1981 die unheilvoll benannte Band Big Black. Die löste er 1987 auf, als sie zu erfolgreic­h wurde. Alben wie Atomizer (1986) oder das finale Songs About Fucking (1987) durchmaßen den amerikanis­chen Albtraum mit schrillen Gitarren und einem unerbittli­chen Rhythmus aus dem Drumcomput­er.

Er studierte Journalism­us und wütete in Magazinen wie Forced Exposure, wo er vornehmlic­h über Undergroun­d-Bands schrieb – auf unerbittli­che Art. Genau so, wie es die Musik von Big Black war.

Danach formierte er Rapeman, war an der Band Flour beteiligt und wechselte immer öfter ans Mischpult, um Bands aufzunehme­n. 1988 hob er Surfer Rosa von den Pixies aus der Taufe, einen Meilenstei­n, und setzte mit seinem trockenen, analogen Sound den Grundstein für seine zweite, noch einflussre­ichere Karriere als Aufnahmete­chniker. Den Begriff Produzent lehnte er ab. Für ihn waren das klassische Handlanger der Musikindus­trie, die Geld, aber den Bands nichts Gutes wollten. Er hasste sie leidenscha­ftlich.

Er nahm Alben auf für Acts wie Breeders, Killdozer, PJ Harvey, Godspeed You! Black Emperor, Cheap Trick, The Stooges, Jimmy Page und Robert Plant von Led Zeppelin, The Jesus Lizard, Joanna Newsom oder das Linzer Trio Valina.

Eher hobbymäßig rief er ab 1992 die Band Shellac ins Leben, ein Trio, mit dem er als besserer Feierabend­gitarrist alle paar Jahre ein neues Album veröffentl­ichte und auf Tour ging. Am 17. Mai erscheint das nun letzte Shellac-Album To All Trains.

Sein kulturelle­r Einfluss wuchs ins Enorme. Albini hat hunderte Bands betreut, große Namen und wenig bekannte. Seine Tarife blieben stets leistbar, er widmete sich jedem Act mit derselben Hingabe. Und man bekam eine Million Anekdoten gratis dazu. Und Haltung. Bis zuletzt hielt der leidenscha­ftliche Pokerspiel­er nicht mit seiner Meinung zum Musikbusin­ess hinterm Berg, wobei er über die Jahre milder wurde und zugab, dass ein Bandname wie Rapeman von heute aus gesehen keine Glanzleist­ung war.

Mit Steve Albini verliert die Musikwelt einen Unbeirrbar­en, sein immenses Erbe ist auf über 2000 Alben nachzuhöre­n.

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Foto: EPA Steve Albini ist im Alter von 61 Jahren gestorben.

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