WIE DEUTSCHLAND FUNKTIONIERT
Der Tod eines Verwandten ist natürlich immer tragisch. Er bedeutet aber auch viel Arbeit. Denn in Deutschland wartet viel Bürokratie auf die Verwandten – und hohe Kosten.
Wenn jemand stirbt
Für Cornelia Osterbrauck kommt die traurige Nachricht im Dezember: Ihre 93-jährige Mutter ist gestorben. Viel Zeit, um traurig zu sein, hat Osterbrauck aber nicht. Auf die Tochter ohne Geschwister warten viele Aufgaben. Manche kosten viel Geld. „Das Leben ist teuer, aber der Tod ist fast noch teurer“, sagt Osterbrauck. Es ist kein schönes Thema. Aber es ist wichtig, zu wissen, was in so einer Situation zu tun ist.
Zuerst muss man den Arzt rufen – zum Beispiel über die Telefonnummer 112. Es kann aber auch der Hausarzt sein. Nur ein Arzt kann nämlich sagen, dass eine Person offiziell tot ist und den Totenschein schreiben. Wenn eine Person im Krankenhaus oder in einem Seniorenheim stirbt, dann passiert das automatisch. Es ist wichtig, Freunde und Familie schnell zu informieren. Diese können nämlich eine große Hilfe sein, auch emotional.
Dann muss man einen Bestatter suchen. Je nach Bundesland hat man dafür zwischen 24 und 48 Stunden Zeit. Mit dem Bestatter kann man darüber sprechen, wer was machen soll. Es muss also nicht alles in den Händen von einer Person liegen.
Bei der Diskussion mit dem Bestatter muss man aber sehr schnell viele Details entscheiden. Wird der Verstorbene begraben oder verbrannt? Mit welcher Kleidung wird er in den Sarg gelegt? Gibt es einen speziellen Ort auf dem Friedhof, wo man ihn begraben will? War der Verstorbene religiös? Und muss der Bestatter
deshalb spezielle Normen kennen? Soll es eine Anzeige in der Zeitung geben? Wird jemand bei der Beerdigung eine Rede halten? Das alles muss man nicht sofort entscheiden. Aber es wird bald wichtig.
Am Ende kostet eine Beerdigung in Deutschland im Durchschnitt 7000 Euro – ohne die Grabgebühr und die Kosten, die es später für den Grabstein und die Grabpflege geben wird.
Sehr bald nach dem Tod ist es auch wichtig, die Sterbeurkunde beim Standesamt zu beantragen. Dafür braucht man den Ausweis des Verstorbenen, den Totenschein und Dokumente wie die Geburts- und die Heiratsurkunde. Ist der Verstorbene kein Deutscher, braucht man auch seinen Reisepass. Hat die Person in Deutschland gewohnt, dann gilt das deutsche Recht auch für sie. Man kann Verstorbene aus einem anderen Land auch in ihrer Heimat begraben. Das ist aber teuer.
Nach circa einer Woche kann man die Sterbeurkunde abholen. „Von der Sterbeurkunde sollte man dann viele Kopien machen“, empfiehlt Osterbrauck. Denn dieses Dokument ist für viele Formalitäten nötig.
Als Nächstes muss man das Testament des Verstorbenen finden – wenn es eines gibt. In dem Dokument steht, wer Erbe ist. Aber Vorsicht: Hatte die Person Schulden? Dann muss nämlich der Erbe das Geld zurückzahlen. Er kann es aber auch ablehnen. Erben haben sechs Wochen Zeit, um das zu entscheiden.
Wer erben will, muss herausfinden, ob er einen Erbschein braucht. Wenn es ein offizielles Testament gibt, ist dieser Schein nämlich normalerweise nicht nötig. Wenn man ihn aber braucht, kann man ihn beim Amtsgericht beantragen. Wer zum Beispiel 50 000 Euro erbt, muss dafür eine Gebühr in Höhe von 132 Euro zahlen. Wer mehr erbt, muss auch mehr zahlen.
Osterbraucks Mutter hat einen großen Teil ihres Eigentums schon an ihre Tochter weitergegeben. Das empfiehlt Osterbrauck auch anderen. „Mit warmen Händen schenkt es sich schöner als mit kalten“, erklärt sie. Und oft ist es so auch günstiger.
Ist mit dem Erbe alles klar, muss man die Krankenversicherung, die Rentenversicherung und den Arbeitgeber über den Tod informieren. Auch alle anderen Versicherungen muss man kündigen – hoffentlich hat der Verstorbene gut dokumentiert, wo er versichert war.
Auch um die Bankkonten müssen sich die Angehörigen kümmern. Ziemlich einfach ist das, wenn der Verstorbene schon vor seinem Tod jemandem eine Bankvollmacht gegeben hat – die hoffentlich auch nach dem Tod noch gilt. Diese Person kann dann mit Geld von dem Konto des Verstorbenen bezahlen, Daueraufträge stoppen und sich um die Schließung des Kontos kümmern. In Deutschland macht das aber nicht jeder. Deshalb glauben Experten: Auf Konten, die niemand mehr benutzt, liegen circa zwei Milliarden Euro.
Wenn der Verstorbene allein in einer Mietwohnung gewohnt hat, müssen die Angehörigen den Vertrag kündigen. Dabei gilt die normale Frist von drei Monaten. So lange muss der Erbe also die Miete zahlen. Er muss sich auch darum kümmern, alle Dinge des Verstorbenen aus der Wohnung zu bringen. Gut ist es auch, schnell die Abonnements zu kündigen. Das geht meistens ohne Probleme. Aber wer es vergisst, wird später dafür zahlen müssen.
Der Tod eines Familienmitglieds bedeutet für die Verwandten also nicht nur Trauer, sondern auch viel Arbeit. Für Osterbrauck ist klar: Wenn sie stirbt, soll für ihren Sohn alles so einfach wie möglich sein. „Ein tolles Grab, eine große Feier – so etwas brauche ich nicht“, sagt sie. Freunde und Familie sollen die Erinnerung an sie am Leben halten: „Man lebt nur in den Köpfen der anderen Menschen weiter“, sagt Osterbrauck.
Außerdem kann ein Grabstein für sie sehr teuer werden. Viele Steinmetze kalkulieren den Preis nämlich nach der Zahl der Buchstaben. „Da ist es nicht so praktisch, Osterbrauck zu heißen“, sagt sie und lächelt. Guillaume Horst
Zwei Milliarden Euro liegen auf
Konten, die niemand mehr
benutzt.