GESCHICHTEN AUS DER GESCHICHTE Vor 70 Jahren: zwei Brüder, zwei Welterfolge
Am 1. Oktober 1948 registriert Rudolf Dassler den Firmennamen Puma, wenig später startet sein Bruder Adolf die Firma Adidas. Die Kleinstadt Herzogenaurach wird zum Zentrum der
internationalen Sportmode.
Diese Geschichte hat alles, was ein großes Drama braucht. Es geht um den Streit zwischen zwei Brüdern, der zu Hass wird und schließlich nicht nur eine Familie trennt, sondern eine ganze Stadt. Es geht um viel Geld und den Kampf um Einfluss – auch mit illegalen Mitteln. Es geht um große Erfolge, berühmte Sportler und um Politik. Es ist die Geschichte der Brüder Rudolf und Adolf Dassler aus Herzogenaurach bei Nürnberg (Bayern). Und die ihrer Firmen, die zu den bekanntesten der Welt gehören: Puma und Adidas.
Als Rudolf Dassler am 1. Oktober 1948 den Namen Puma Rudolf Dassler Schuhfabrik registrieren lässt, bedeutet das die Trennung der beiden Brüder. Es ist ein Höhepunkt des Konflikts, der schon viel früher begonnen hat.
Die Geschichte von Puma und Adidas beginnt mit einer Idee von Adolf Dassler, nachdem er aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekommen ist. In der Waschküche der Mutter stellt Adolf seine ersten Sportschuhe aus Leinen her. 1920 folgt er seinem Vater als Chef einer kleinen Schuhfabrik, die Filzpantoffeln herstellt. Mit Unterstützung des Vaters ändert er die Produktion: Statt Pantoffeln verkauft er nun Sportschuhe. Von 1924 an arbeitet auch Rudolf, Adolfs älterer Bruder, in der Firma mit, die den Namen Gebrüder Dassler Schuhfabrik bekommt.
Die Brüder sind komplett unterschiedliche Charaktere. Rudolf Dassler ist extrovertiert, laut und der geborene Verkäufer.
Er kümmert sich um das Geschäft. Adolf Dassler ist der geniale Handwerker, der perfektionistisch an jedem Detail seiner Schuhe arbeitet. Von Anfang an gibt es Konflikte zwischen den beiden Männern. Aber viele Jahre lang ergänzen sich die beiden Talente – so führen Rudolf und Adolf Dassler ihre Firma schnell zum Erfolg. 1925 verkaufen sie die ersten Fußballschuhe mit Stollen und die ersten Rennschuhe mit Spikes. Schon bei den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam tragen die ersten Leichtathleten Sportschuhe der Brüder. Bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936 gewinnt der US-amerikanische Sprinter Jesse Owens in Dassler-Schuhen vier Mal Gold.
1933 werden beide Brüder Mitglieder der NSDAP. Vom Kontakt mit den Nationalsozialisten erhoffen sie sich Vorteile für ihr Unternehmen. Als der Zweite Weltkrieg beginnt, können beide Brüder noch für eine längere Zeit in Deutschland bleiben und in der Firma arbeiten. Aber 1943 schickt die Armee Rudolf Dassler in die polnische Stadt Łódź, wo er im Innendienst in der Finanzverwaltung arbeiten muss. Adolf Dassler darf in Herzogenaurach bleiben und sich um die Firma kümmern. Gegen Ende des Krieges werden in der Schuhfabrik Waffen produziert. Auch französische Zwangsarbeiter müssen dort arbeiten.
Im Januar 1945 flieht Rudolf Dassler vor der Roten Armee nach Herzogenaurach. Im April nimmt ihn die Geheime Staatspolizei wegen Fahnenflucht fest. Als er ins Konzentrationslager Dachau gebracht werden soll, befreit ihn die US-Armee. Aber kurz darauf wird er wieder festgenommen und muss ein Jahr in Kriegsgefangenschaft. Die Amerikaner werfen ihm vor, für die Zensur und die Spionageabwehr gearbeitet zu haben. Und es heißt, dass ihm die US-Soldaten einen Hinweis geben: Er ist verraten worden – und zwar aus seinem engsten persönlichen Umfeld.
Im Januar 1946 kommt Rudolf Dassler frei und geht zurück nach Hause. Für ihn steht fest, wer ihn verraten haben muss: sein Bruder Adolf. Rudolf glaubt, dass Adolf ihn so aus der Firma drängen will. Denn während der ältere Bruder weg war, ist Adolfs Macht in der Firma größer geworden. Rudolf beginnt nun selbst, Adolf zu beschuldigen – als Helfer der Nationalsozialisten. Der Streit der beiden Brüder eskaliert. Aus dem Konflikt wird offener Hass. Auch der Konflikt zwischen den Ehefrauen eskaliert.
Die Militärbehörden stoppen zwar bald ihre Ermittlungen über die Nazi-Kontakte der beiden Brüder. Aber ihr Bruch ist endgültig – und damit auch die Trennung des Unternehmens. Rudolf ist der Erste, der 1948 seine Firma Puma registrieren lässt; Puma wurde er früher von Freunden genannt. Adolf Dassler startet fast ein Jahr später, im August 1949, seine eigene Firma. Er gibt ihr als Namen eine Kurzform seines eigenen: Adidas.
In den folgenden Jahren und Jahrzehnten sind Puma und Adidas gegenseitig ihre größten Konkurrenten. Beide Firmen finden schnell viele bekannte Sportler, die ihre Schuhe tragen. Als die deutsche Fußballnationalmannschaft 1954 in der Schweiz Weltmeister wird, tragen die Spieler Schuhe von Adidas. Für einen Sportler aber vereinbaren die Firmen einen Nichtangriffspakt: Pelé. Als Puma den Weltfußballer 1970 trotzdem unter Vertrag nimmt, eskaliert der Streit wieder, diesmal zwischen den Söhnen von Rudolf und Adolf.
Viele Jahre lang trennt der Konflikt auch den ganzen Ort. Beide Firmen sind nicht weit voneinander entfernt, auf beiden Seiten des Flusses. Sie sind wichtige Arbeitgeber in Herzogenaurach – und auch die Angestellten stehen entweder auf der Seite von Rudolf oder Adolf. Erst in den 2000er-Jahren kommen sich die Familien wieder näher, die Situation entspannt sich.
70 Jahre nach dem Start sind die beiden Firmen trotz einiger ökonomischer Probleme internationale Giganten. Adidas ist nach Nike der zweitgrößte Sportartikelhersteller der Welt. Und Puma folgt auf Platz drei. Barbara Kerbel
Das Resultat von einem Bruderstreit: zwei gigantische Firmen.