WIE GEHT ES EIGENTLICH DEN ... Schriftstellern?
Vom 10. bis zum 14. Oktober treffen sich in Frankfurt wieder Vertreter der Buchbranche aus mehr als 100 Ländern, um mit Lizenzrechten zu handeln. Wie geht es denen, die die Bücher schreiben? Unser Autor nennt Zahlen.
Der Buchmarkt kann es an Intransparenz mit dem Kunst- und Waffenmarkt aufnehmen“, sagt Tom Lamberty, Chef des Merve Verlags. Honorare, Vorschüsse, Auflagen? Darüber erfährt man wenig, selbst im Internet finden sich nicht wirklich gute Informationen in irgendwelchen Foren. Der deutsche Buchmarkt erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von mehr als neun Milliarden Euro und damit doppelt so viel wie die Film- und Musikindustrie zusammen. Das Geld ist also da. Aber es ist nicht in den Taschen der Schreibenden.
Wenn ich Gästen auf einer Party vom Bücherschreiben erzähle, sehe ich oft ein Funkeln in ihren Augen: „Ah, du hast ein Buch bei diesem tollen Verlag untergebracht – jetzt haste bestimmt erstmal ausgesorgt!“Dann erkläre ich ihnen kurz, wie der Buchmarkt funktioniert – und merke, wie die Traumwölkchen zerplatzen.
Denn bei etwa 75 000 Neuerscheinungen pro Jahr trifft das Klischee vom armen Poeten leider auf 95 Prozent der Schreiber zu: „Die allerwenigsten Autoren können wirklich vom Schreiben leben. Die meisten benötigen einen Brotjob oder eine andere Art der Querfinanzierung“, sagt Leander Wattig, ein erfahrener Berater der Buchbranche.
Auch für mich lohnt sich das Bücherschreiben kaum. Es ist eine Herzensangelegenheit, aber gut leben kann man davon nicht. Bevor es zu ungenau wird, nenne ich mal Zahlen: Mein Sachbuch Die Freiheit nehm ich dir erschien im Juli 2016 beim Rotpunktverlag mit einer Startauflage von 3000 Exemplaren. Wenn man nicht gerade ein Star-Autor ist, beginnen die meisten Bücher zwischen 1500 und 4000 Exemplaren. Selbst große Verlage gehen bei Sachbüchern unbekannter Autoren selten höher. Die Startauflagen in der Belletristik liegen oft ein bisschen darüber.
Was habe ich mit dem Buch verdient? Bis Ende 2017 hatte ich 3543 Printexemplare verkauft. Das Buch kostet im Handel 9,90 Euro. Davon gehen 7 Prozent Mehrwertsteuer ab, bleibt also ein sogenannter Nettoladenpreis von 9,25 Euro. Pro verkauftem Exemplar verdient der Buchhändler rund 40 Prozent, bei kleineren Verlagen verlangt Amazon sogar 50 Prozent. (Überlegen Sie sich also gut, wo Sie Ihre Bücher kaufen.) Als Autor verdiene ich nur zehn Prozent pro verkauftem Exemplar, also 0,93 Euro. Dieser Betrag wird mit den verkauften Printexemplaren multipliziert, macht rund 3300 Euro. Die zehn Prozent Honorar sind übrigens schon das obere Limit, bei manchen Verlagen gibt es nur um die sechs Prozent für ein Taschenbuch. Hinzu kommen noch 456 verkaufte E-Books, pro Stück bekomme ich einen Euro. (Ja, ich verdiene mit E-Books mehr als mit Printbüchern.) So habe ich mit dem Buch bis Ende 2017 um die 3750 Euro verdient.
Von dieser Summe gehen natürlich noch die Einkommenssteuer und Sozialversicherungsbeiträge ab – und weil ich Freiberufler bin, auch Krankheits- und Urlaubstage, für die ich kein Geld bekomme. Noch etwas Geld gibt es für so ein Buch einmalig von der VG Wort, die die Verwertungsrechte für Autoren wahrnimmt, weil das Buch kopiert werden kann. Für ein Sachbuch bekommt man zurzeit – unabhängig von Thema, Auflage oder Seitenumfang – einmalig 900 Euro.
Rechnet man die Förderung von 1200 Euro dazu, die ich während des Schreibens von der Rosa-Luxemburg-Stiftung bekommen habe, habe ich insgesamt rund 5850 Euro brutto mit dem Buch verdient. Angesichts der sieben Monate, die ich von der Ideenfindung bis zum fertigen Manuskript in Vollzeit an dem Buch gearbeitet habe, ist das nicht gerade viel. Mein Stundenlohn als Buchautor liegt bei ungefähr sechs oder sieben Euro brutto.
Manchmal kommt eine Lesung hinzu, für die Autoren gewöhnlich 100 bis 400 Euro bekommen. Gut, inzwischen ist das Buch in der zweiten Auflage. Aber wie bei fast allen Büchern plätschern die Verkäufe nach der Anfangszeit nur noch sanft vor sich hin. Der Buchhandel wechselt zwischen Frühlings- und
Für die meisten Schriftsteller lohnt sich das Bücherschreiben kaum.
Herbstprogrammen; nach spätestens sechs Monaten müssen alte Werke neuen weichen.
Um meine Miete, Essen und Kleidung bezahlen zu können, schreibe ich journalistische Artikel, lektoriere Broschüren, Zeitschriften und Bücher. Angesichts des Zeitaufwands verdiene ich mit dem Korrekturlesen fremder Texte mindestens dreimal so viel wie mit dem Verfassen eigener Texte.
Warum schreiben trotzdem so viele Menschen Bücher? Viele Anfänger stürzen sich leidenschaftlich in ein Buchprojekt, informieren sich aber nicht über die Konditionen des Buchmarkts. Sie sind dann schockiert, wenn sie nach der Veröffentlichung auf ihr Konto gucken. So erging es auch mir bei meinem ersten Buch vor sechs Jahren. Danach habe ich immer mal wieder Kolleginnen und Kollegen gefragt: „Warum schreibst du eigentlich?“
Bei manchen Debütanten, die es dann auch beim Debüt belassen, ist es einfach: Ein Buch wirkt gut im Lebenslauf – und öffnet vielleicht Türen für Jobs, journalistische Aufträge oder Beratertätigkeiten. Einige, aber nicht allzu viele sagen: „Ich liebe es zu schreiben, nichts macht mir mehr Spaß.“Aber viele setzen auf den erhofften Bestseller, der sie bekannt und reich machen möge, obwohl die Chancen selbst beim Roulette besser stünden.
Und was ist mit den märchenhaften Vorschüssen, von denen man immer wieder liest? Barack Obama bekam von Penguin Random House, der weltweit größten Verlagsgruppe, mehr als 50 Millionen Euro für seine Memoiren – bevor er auch nur ein einziges Wort geschrieben hatte. Und in den veröffentlichungspflichtigen Einnahmen von dem Politiker Peer Steinbrück – 2013 war er Kanzlerkandidat – kann man nachlesen, dass er vom Hoffmann & Campe Verlag für jedes seiner Bücher zwischen 100 000 und 150 000 Euro gezahlt bekam.
Für Nichtprominente sind solche Zahlen natürlich utopisch. Bei einem großen Fachverlag oder einem mittelgroßen Verlag kann man um die 3000 bis 6000 Euro Vorschuss bekommen. Der Vorschuss ist ein Garantiehonorar, muss also nicht zurückgezahlt werden. Allerdings wird er üblicherweise mit den verkauften Exemplaren verrechnet. Wer bei einem großen Publikumsverlag mit einem populären Sachbuch oder einem Thriller unterkommt, kann als unbekannter Autor um die 10 000 bis 20 000 Euro Vorschuss für sein Erstlingswerk bekommen. Die meisten kleinen und mittelgroßen Verlage zahlen null bis 2000 Euro.
In große Verlage aber kommt man fast nur über Literaturagenturen: Die großen Publikumsverlage bekommen täglich rund zehn unverlangt eingesandte Manuskripte von unbekannten Autoren; aus dieser gigantischen Auswahl veröffentlichen sie aber nur alle vier oder fünf Jahre ein Buch. Viele Agenturen wählen sehr genau aus, welche Manuskripte sie vertreten wollen. Für ihre Vermittlung bekommen sie meistens 15 Prozent der Honorare. In Deutschland werden etwa 60 Prozent aller gedruckten Bücher von Agenten vermittelt.
Für die meisten ist und bleibt das Bücherschreiben eine Art ehrenamtlicher Tätigkeit. Ja, ich ärgere mich über die geringen Tantiemen: Zehn Prozent sind einfach extrem wenig, wenn Amazon das Fünffache pro Buch kassiert. Geht es anders? Kaum. Der Buchmarkt ist eben ein Markt wie jeder andere auch, er wird geregelt von Angebot und Nachfrage. Natürlich träume ich von einem Gesetz, das die Aufteilung der Gewinne regelt. Aber dass das kommt, ist sehr unwahrscheinlich.
Immerhin: Es gibt inzwischen einige Bestseller, die auf keiner Bestsellerliste stehen, zum Beispiel E-Books bei Amazon. Manche erreichen sechsstellige Verkaufszahlen, besonders im Belletristik-Bereich. Die Tantiemen liegen bei 70 Prozent pro verkauftem Exemplar. Qualitativ reichen die Self-Publishing-Bücher inzwischen oft an die aus Publikumsverlagen heran. Allerdings müssen die Autoren ohne die wichtige Öffentlichkeitsarbeit der Verlage klarkommen. Reich wird man also auch so wahrscheinlich nicht.
Der Buchmarkt ist so rücksichtslos wie der Markt für Smartphones.