Kulturtipps
Das Kunstmuseum Stuttgart zeigt das Phänomen der Ekstase in der Kunst – und wie unterschiedlich verschiedene Kulturen dieses Gefühl bis heute interpretieren.
Mit ihren gelben Trikots sehen die Fußballfans im Dortmunder Stadion aus wie eine gelbe Wand. Sie alle warten auf ein Tor ihrer Mannschaft Borussia Dortmund. Die Fotografie, mit der Andreas Gursky diesen Moment im Jahr 2009 aufgenommen hat, zeigt die Südtribüne des Stadions. Sie ist die größte Stehtribüne Europas, 24 454 Menschen haben dort Platz. Gurskys Werk zeigt eine starke emotionale Spannung. Man kann sich gut vorstellen, dass die Fans im nächsten Moment jubeln.
Gurskys Fotografie ist nun im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen. Dort zeigt die Ausstellung „Ekstase“bis zum 24. Februar das Gefühl des „Außer-Sich-Seins“. Dafür steht das Wort Ekstase, das aus dem Griechischen kommt. Wer außer sich ist, erlebt einen psychischen Ausnahmezustand, in dem man die Grenzen seiner Wahrnehmung und seines Körpers plötzlich ganz anders wahrnimmt.
In manchen Religionen wird zum Beispiel versucht, eine Ekstase durch Askese, bestimmte Rituale oder Meditation zu bekommen. Derwische sind dafür bekannt, dass sie versuchen, durch ihren speziellen Tanz Ekstase zu erleben. Diese Angehörigen der muslimischen Gemeinschaft der Sufis drehen sich beim Derwischtanz sehr lange um die eigene Achse. Aber auch mit Rauschmitteln wie Alkohol und Drogen oder auch mit Musik versuchen manche Menschen, in ekstatische Zustände zu kommen.
In der Antike stand Dionysos als Gott des Weins für Rausch und Ekstase. Im antiken Rom wurden die Dionysien gefeiert, bei denen es zum Teil unter dem Effekt von Alkohol und psychedelischen Substanzen zu wilden Orgien kam. Die Feste wurden zu Beginn des Frühlings veranstaltet und sollten die Fruchtbarkeit feiern, für die Dionysos auch ein Symbol ist.
Schon lange interessiert sich auch die Kunst für Ekstase. Die Ausstellung in Stuttgart zeigt die Geschichte ihrer Entwicklung von der Antike bis heute. Dabei sollen die Besucher erfahren, welche Rolle das Phänomen in verschiedenen Kulturen spielt. Gezeigt werden verschiedene Facetten der Ekstase wie der dionysische Kult, religiöse Verzückung, Liebesekstasen oder Sport und Tanz. Zwei berühmte Tänzerinnen des 20. Jahrhunderts waren zum Beispiel Mary Wigman und Gret Palucca. Sie gehörten zur Dresdener Avantgarde und inspirierten Maler wie Ernst Ludwig Kirchner oder Emil Nolde. Otto Dix war dagegen von der Tänzerin Anita Berber fasziniert, sein Werk Bildnis der Tänzerin Anita Berber aus dem Jahr 1925 ist sehr bekannt. Aber auch Gegenwartskünstler wie der Fotograf Wolfgang Tillmanns beschäftigen sich mit dem Tanz. Für sie ist vor allem die Techno-Szene interessant, in der es auch um das „Außersich-Sein“in der Menge geht.
230 Werke von 71 internationalen Künstlern sind in der Ausstellung zu sehen. Dabei sind zum Beispiel Arbeiten von Salvador Dalí, Otto Dix, Pablo Picasso, Andy Warhol, Marlene Dumas und Marina Abramović. Aber Achtung: Auch das Erleben von Kunst kann ekstatische Momente bringen. Besucher können sie dann aber aus einer Distanz nachempfinden. Denn der Rausch kann auch gefährlich sein, da er Kontrollverlust bedeutet.
Mit der Licht- und Soundinstallation Dream House von La Monte Young und Marian Zazeela lädt das Museum dazu ein, der Ekstase noch ein wenig näher zu kommen. Das Kunstwerk ist ein Raum, in den Besucher gehen können. Drinnen erwarten sie Farben und Klänge, die wenigstens zur Meditation oder zum Träumen anregen.