„Berlin ist ein Dorf“
Die Kulturen in Deutschland und Brasilien sind nicht so verschieden, findet Raquel Aguiar. Komische Situationen hat es für die Brasilianerin in Berlin am Anfang trotzdem gegeben – zum Beispiel beim Arzt, in der Bäckerei und im Café.
Die Zahlen von eins bis zehn, Guten Morgen und Guten Tag – mehr deutsche Wörter habe ich nicht gekannt, als ich von São Paulo nach Berlin gekommen bin. Mein Mann und ich wollten eine andere Kultur erleben und eine andere Sprache lernen. Es war einfach für uns, ein Visum zu bekommen. Und in Berlin haben Freunde von uns gewohnt.
Damit ich einen Job als Systemanalytikerin finde, lerne ich seit meiner Ankunft Deutsch. Zuerst habe ich ein Jahr lang eine Sprachschule besucht. Aber besonders geholfen hat mir noch etwas anderes: Ich arbeite ehrenamtlich in einem Ausbildungszentrum für Kinder und Jugendliche. Dort spiele ich mit den jungen Menschen und mache Snacks für sie. Das Sprechen hilft mir sehr. Deshalb mache ich auch Sprachtandems mit zwei deutschen Frauen.
In Berlin verstehen die meisten Leute Englisch. Viele Ausländer in der Stadt lernen deshalb kein Deutsch: Sie sprechen einfach Englisch. Das ist bei mir anders, weil mein Englisch auch nicht so gut ist! Ich versuche immer, auf Deutsch zu kommunizieren. Deshalb hat es speziell in den ersten Monaten in Berlin manchmal komische Situationen gegeben. Beim Arzt hat mich die Assistentin zum Beispiel nach einem Überweisungsschein gefragt. Ich habe nicht gewusst, was das ist. Deshalb habe ich gedacht, dass ich Geld bezahlen muss. Auch haben wir am Anfang in der Bäckerei oder in Cafés oft etwas anderes bekommen, als wir bestellt haben. Wir haben dann nicht gewusst, ob das unser Fehler war oder der des Verkäufers oder Kellners.
Heute fühle ich mich in Deutschland zu Hause. Natürlich vermisse ich meine Familie und meine Freunde in Brasilien. Aber mein Mann und ich wollen hier bleiben. Berlin ist eine sehr gute Stadt, wenn man neu im Land ist. Die Menschen sind sehr offen, höflich und helfen gern. São Paulo hat mehr als zwölf Millionen Einwohner – im Vergleich dazu ist Berlin ein Dorf. Ich finde auch die Mentalität nicht so extrem anders als in meiner Heimat. Die Deutschen sind viel pünktlicher, und die Brasilianer sind ein bisschen lauter – aber trotzdem sind sich die Kulturen ähnlich. Aufgeschrieben von Eva Pfeiffer