Von der Straße
Von der Kölner Band AnnenMayKantereit gibt es jetzt das zweite Studioalbum. Es zeigt deutlich: Das Quartett ist erwachsener geworden.
Vor zwei Jahren hat jeder über sie gesprochen: Eine Gruppe von vier jungen Musikern war plötzlich populär. Angefangen hatten AnnenMayKantereit aber ganz klein. Die drei Gründungsmitglieder Christopher Annen, Henning May und Severin Kantereit wollten 2011 nach ihrem Abitur etwas Geld verdienen. Deshalb stellten sie sich in ihrer Heimatstadt Köln auf die Straße und spielten Musik.
Die Lieder der jungen Band hatten schnell Fans. Jemand filmte sie und stellte das Video auf YouTube, wo es in kurzer Zeit viele Klicks bekam. Bald kam Lars Lötgering als Bassist zu der Gruppe, später dann Malte Huck. Auf der Straße produzierten sie auch ein erstes Album mit dem Titel AMK, das sie bei Konzerten in kleinen Bars und Klubs verkauften.
Ihre erste EP Wird schon irgendwie gehen finanzierten AnnenMayKantereit mithilfe ihrer Fans per Crowdfunding. Noch bevor sie ein erstes offizielles Studioalbum produziert hatten, waren ihre Konzerte oft ausverkauft. Sie spielten als Vorband der Beatsteaks und von Clueso – und wurden immer bekannter. Im März 2016 kam mit Alles nix Konkretes ihr erstes richtiges Studioalbum. Aber nicht alle Kritiker fanden die Songtexte der Band gut. „AnnenMayKantereit singen über Veränderung, ohne etwas verändern zu wollen“, schrieb zum Beispiel ein Journalist in der Wochenzeitung Die Zeit.
Einen Charterfolg hatten AnnenMayKantereit mit Alles nix Konkretes trotzdem. Das Album kam in den deutschen und österreichischen Charts auf Platz eins. Auch die nächste Tour war ausverkauft, AnnenMayKantereit spielten nun in großen Konzerthäusern. Lieder wie „Wohin du gehst“oder „Barfuß am Klavier“mochte das Publikum sofort. Für ihren Erfolg ist auch die Stimme des Sängers Henning May wichtig: Sie ist rau und dunkel. Und auch wenn er erst 27 Jahre alt ist, transportiert May damit viel Melancholie und Lebenserfahrung.
AnnenMayKantereit machen emotionale und persönliche Texte über Beziehungen, Ängste und Wünsche. „Zwei Zimmer, Küche, Bad und ’nen kleinen Balkon“, wünscht sich Henning May in dem Song „3. Stock“von dem Album Alles nix Konkretes. Es sind kleine Wünsche, die aber für die jungen Musiker und ihre Fans wichtig sind. Manche Kritiker sagen, dass die Band nicht politisch genug ist. Aber die Gruppe lässt sich nicht aus dem Konzept bringen. „Vielleicht ist es auch eine Art Rebellion, nicht rebellisch zu sein“, sagte der Bassist Malte Huck in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Bandmitglieder erzählen immer wieder von ihrem Interesse für Politik. Ihre Musik soll aber andere Themen haben.
Auch auf ihrem zweiten Studioalbum Schlagschatten, das es ab dem 7. Dezember gibt, sind AnnenMayKantereit so, wie ihre Fans sie kennen. „Marie“heißt der erste Song. Wichtige Themen sind wieder Liebe und Verluste. Man merkt aber, dass die Gruppe erwachsener geworden ist. Ihre Texte sind noch etwas ernster, melancholischer, aber auch poetischer. „Ich glaub’, mein Blick ist vom Vorüberziehen der Städte / So müde, dass er nichts mehr hält / Mir ist, als ob es tausend Städte gäbe / Und hinter tausend Städten keine Welt“, singt Henning May in „Marie“. Mit diesen traurigen Zeilen erinnert er an „Der Panther“von Rainer Maria Rilke aus dem Jahr 1907. Der lyrische Text über ein Tier in einem Käfig erzählt von Einsamkeit. Ein Gefühl, das auch AnnenMayKantereit gut kennen. Ana Maria Michel