WIE GEHT ES EIGENTLICH DEM ... Fax?
Seit genau 40 Jahren wird in Deutschland gefaxt – und obwohl es inzwischen E-Mail und Messenger gibt, tun das sehr viele Deutsche bis heute. Warum nur?
Man muss sich schon ein bisschen genauer umschauen, bis man ein Fax entdeckt. Ein Freitagabend in einem Elektromarkt: Die Kunden wischen über die neuesten Tablet-PCs, probieren Drohnen aus und müssen sich zwischen vielen verschiedenen Fernsehgeräten entscheiden. Ganz hinten in der Ecke steht ein Gerät, dessen Name auch heute noch auf fast jeder Visitenkarte zu lesen ist: das Fax. Es hat keinen Hörer mehr und keine bunten Tasten wie in den 90er-Jahren. Aber es existiert noch immer – meistens als Teil eines Multifunktionsgeräts, das auch drucken, scannen und kopieren kann.
In Zeiten von E-Mail, WhatsApp und sozialen Netzwerken wirkt der Fernkopierer wie aus einer anderen Zeit. Die meisten Menschen brauchen ihn im Alltag schon lange nicht mehr. Aber viele deutsche Unternehmen kommunizieren noch immer mit dem Fax.
Ein Blick auf die Geschichte der Technologie zeigt, dass sie schon immer einen langen Atem hatte. 1843 entwickelte ein schottischer Uhrmacher den ersten Kopiertelegrafen, der Dokumente und Zeichnungen elektrisch übertragen konnte. Bis dem Fax der Durchbruch gelang, dauerte es aber: Am 1. Januar 1979 führte die Bundespost den öffentlichen Faxdienst ein. Vier Jahre später zählte das Fernmeldetechnische Zentralamt in Darmstadt nicht mehr als 10 000 Fax-Anschlüsse in der Bundesrepublik. Aber 1993 waren es schon 1,1 Millionen.
„Die Fax-Welle rollt“, schrieb die Wochenzeitung Computerwoche Anfang der 90er-Jahre. Das am Anfang etwas große Gerät verschickte Formulare an Behörden genauso zuverlässig wie Glückwünsche an die Verwandten – und das schneller, als ein Brief war.
Als sich gegen Ende der 90er-Jahre immer mehr Menschen einen eigenen Computer mit Internetverbindung kauften, trat die E-Mail langsam an die Stelle des Fax. Wer eine E-Mail schrieb, konnte genauso schnell Nachrichten verschicken, musste sich keine lange Nummer
Im Jahr 2018 faxen immer noch sechs von zehn deutschen
Firmen.
merken und brauchte kein Papier. Die E-Mail, aber auch die SMS und Messenger-Dienste wie WhatsApp haben dazu beigetragen, dass das Fax im privaten Bereich heute kaum noch eine Rolle spielt.
Das erklärt, warum man im Elektromarkt heute etwas länger nach dem Fax suchen muss. Media-Markt und Saturn verkaufen heute zwar noch klassische Faxgeräte. Aber immer weniger Kunden wollen eines kaufen, teilt das Unternehmen mit. Die Hersteller wie Brother verkaufen seit Jahren immer weniger Geräte, die nur faxen können. Gleichzeitig kaufen immer mehr Menschen Multifunktionsgeräte, die nicht nur, aber auch faxen können. Was man hat, das hat man: Diese Art zu denken ist bei deutschen Kunden typischer als in anderen Ländern, glauben sie bei Brother. Das bedeute allerdings nicht unbedingt, dass die Leute privat auch wirklich faxen.
Anders sieht es bei den Firmen aus: Sechs von zehn Firmen nutzen das Fax noch, um intern und mit Kunden oder Geschäftspartnern zu kommunizieren. Das zeigen Zahlen des Digitalverbands. Auch im Jahr 2018 gibt es in deutschen Arztpraxen, Behörden und Anwaltskanzleien noch Faxgeräte. Eine einmal als Kommunikationskanal etablierte Technologie ändert sich so schnell nicht, glaubt Nils Britze, Experte vom Bitkom. „Da viele Unternehmen über ein Faxgerät verfügen, ist es für viele so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner.“
Und es gibt noch ein paar andere Vorteile. Anders als bei der E-Mail kann kein Spamfilter eine Nachricht aussortieren. Außerdem haben es Hacker schwer, auf die Nachrichten zuzugreifen. Deshalb verschicken viele Ärzte sensible Patientendaten noch immer per Fax. Und weil zu jedem Fax ein Sendebericht gehört, weiß der Absender, dass seine Nachricht gut angekommen ist.
„Ein Fax kommt immer an“, fasst es Alexander Hüls zusammen. Er arbeitet bei Retarus, einem IT-Dienstleister aus München. Auf den Servern des Unternehmens sind stündlich rund 9000 Faxe vom Sender zum Empfänger unterwegs. „Wenn man so will, ist unser Rechenzentrum die Straße, auf der die Pakete unserer Kunden von A nach B geliefert werden“, sagt Hüls. Retarus hat mittelständische Betriebe und mehr als 20 DAX-Konzerne als Kunden. Manche Unternehmen verschicken mehrere Zehntausend Faxe am Tag, bei anderen schwankt die Zahl stark.
Und wo wird das Fax jetzt noch benutzt? Zum Beispiel bei den Kommunen. Die Stadt München hat 2700 Geräte, über die Ämter und Bürger miteinander kommunizieren. Oder im Supermarkt. Nicht in jedem steht ein Computer mit Internetverbindung, nicht überall schaut ein Mitarbeiter regelmäßig in die E-Mails. Wenn ein Lebensmittelhersteller aber einen Joghurt oder Saft zurückrufen muss, weil er bei der Produktion einen Fehler gemacht hat, dann zählt jede Minute: Der Hersteller schickt ein Fax mit der Warnung an die Supermärkte. Die Mitarbeiter können das Blatt direkt an den
Eingang kleben, wo die Kunden es sehen.
Im Supermarkt holt noch ein Mensch das Fax auf Papier aus dem Gerät. In manchen Küchengeschäften kommuniziert schon lange Mensch mit Maschine. So berichtet es Alexander Hüls von Retarus, der auch den Hausgerätehersteller BSH (Siemens, Bosch) als Kunde hat. Im Laden bestellt ein Kunde eine Küche mit Geräten, der Verkäufer schickt die Bestellung als Fax an den Hersteller. Dort wird sie nicht mehr ausgedruckt, sondern kommt direkt als Bestellung im System an und wird bearbeitet. Retarus kann das Fax, das eine Bilddatei ist, inzwischen maschinenlesbar machen. So wird es in digitale Prozesse integriert. „Das Fax passt sich an“, sagt Hüls.
Es passt zu Deutschland, dass die Unternehmen zwischen Alpen und Nordsee bis heute auf eine 175 Jahre alte Technologie schwören. Denn die Deutschen bezahlen im Unterschied zu anderen Nationen auch noch immer am liebsten mit Bargeld und fahren – wenn auch aktuell nicht mehr ganz so stark wie noch vor ein paar Jahren – besonders oft Dieselautos. „Allerdings nutzen auch andere etablierte Industrienationen wie Japan oder die USA bis heute das Fax“, sagt Nils Britze vom Bitkom. Anders ist es in China: Das Land war noch keine Wirtschaftsmacht, als der Fernkopierer boomte. Deshalb hat es gleich auf moderne Technologien vertraut.
Das Fax hat wirklich einen sehr langen Atem. Aber auch in Deutschland sieht es so aus, als ob es langsam seine besten Zeiten hinter sich hat. Vor zwei Jahren nutzten noch acht von zehn Unternehmen regelmäßig das Fax, um mit Kunden, Mitarbeitern und Geschäftspartnern zu kommunizieren. 2018 waren es nur noch sechs. „In den vergangenen Jahren sind neue Lösungen wie die digitale Signatur entstanden, die wesentlich sicherer als das Fax sind“, sagt Britze. Wie lange es das Fax noch geben wird, das hängt seiner Meinung nach von einer anderen Frage ab: Wie schnell werden große Unternehmen und Ämter zu neuen Technologien wechseln? Tun sie das, folgen bald andere.
Aber auch heute gibt es noch Betriebe, die das Fax genau deshalb benutzen, weil es eine alte Technologie ist. Während die Kunden ihre Pizza oder ihr Curry zu Hause schon lange auf dem Computer oder per App bestellen, senden einige Plattformen den Auftrag noch immer per Fax an die verschiedenen Restaurants. Es wäre für die Pizzabäcker und Köche unpraktisch, mit Fingern voller Mehl auf einem Tablet herumzuwischen. Deshalb kleben die Küchenchefs den Zettel auf eine Pinnwand, backen die Pizza – und werfen das Papier am Ende wieder weg. Es ist auch die Haptik, durch die das Fax am Leben bleibt.
Pizzabäcker nutzen die Technologie nicht obwohl, sondern weil sie
alt ist.