Emotional blockiert
Seine Antworten sind kurz und neutral, ganz ohne Magie. In Wahrheit möchte dieser Vater aber nur Gutes für seinen Sohn.
Stilistisch orientiert sich Prof. Dr. rer. pol. absolut am Duden, dem deutschen Standard-Wörterbuch. Muss er zwischen zwei Synonymen entscheiden, kennt er nur eine Frage: Welches Wort wird statistisch öfter benutzt? Seine Texte sind auf ihre Art perfekt. Umso mehr schockieren seine Gedanken. In einer der Anfangsszenen von Bov Bjergs Roman Serpentinen stehen der Professor und sein Sohn in einer Kirche. Den barocken Stil findet er schrecklich. Aber für seinen Sohn beschreibt er die Kuppel mit einer zuckersüßen Metapher: dem Gugelhupf. Im nächsten Satz wechselt die Erzählung in die Gedankenwelt des Vaters, böse Kommentare im Stakkato -Stil. Immer wieder möchte man ihm das aktuelle Deutsch-perfekt-Booklet mit den 99 bösen Sätzen schenken, damit wenigstens einmal der Ärger und die Sätze ein Ende haben. Aber seine Sprache ist nie impulsiv genug, auch wenn sie böse und magisch sein kann.„Was ist ein Gugelhupf?“,fragt der Sohn. Ganz ohne Zauber antwortet der Vater: „Marmorkuchen“. Kurz und neutral müssen die Antworten von Vätern sein. Über den eigenen Vater spricht man nicht, über den Großvater noch viel weniger. Der Versuch, den eigenen Sohn vor der Vergangenheit zu schützen, wird zur gemeinsamen Serpentinenfahrt. Poetisch ist diese Reise ein Spektakel. Wer mit einsteigen möchte, braucht aber sehr gute Deutschkenntnisse (ab Niveau C1) und ein Interesse für deutsche Literatur. Bei Bjergs Serpentinen fährt Nietzsche auf dem Fahrersitz, während Sigmund Freud und Adolf Hitler im Rückspiegel grüßen.