Mein erstes Jahr
Der US-Amerikaner Andrew Stager mag die Idylle der Stadt Zürich sehr. Er findet aber: Die meisten Einwohner tun viel zu viel für ihren Job.
Korea! Das antworte ich, wenn mich Leute fragen, woher ich komme. Denn meine Familie und ich haben in Seoul gelebt, bevor wir im Sommer nach Zürich umgezogen sind. Natürlich ist die Antwort für die Leute verwirrend. Geboren sind wir nämlich alle in den USA. Es war aber schon immer mein Traum, nach Europa zu gehen. Ich habe Europäische Geschichte studiert. Deshalb finde ich es toll, wenn meine drei Söhne eine andere Kultur und eine neue Sprache kennenlernen können. Sie alle gehen hier in der Schweiz zur Schule. Es ist sehr lustig: Im Unterricht reden die Lehrer Hochdeutsch. In der Pause draußen sprechen die Kinder und Jugendlichen dann Schweizerdeutsch. Und das ist für meine Söhne wirklich nicht einfach zu verstehen. Sie sagen dann oft: „Papa, unser Kopf tut weh!“
Ich kann das gut verstehen. Auch für mich ist die neue Sprache anstrengend. Ich habe sofort einen Intensivkurs besucht. Um in der Schweiz eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, brauche ich nämlich gute Sprachkenntnisse. Ich arbeite als Pastor bei der internationalen Kirche IPC in Zürich. Dort rede ich mit den meisten Menschen Englisch. Die Gemeinde ist nämlich sehr international. Aber im Alltag brauche ich natürlich Hochdeutsch und auch Schweizerdeutsch. Ich freue mich immer, wenn ich die Sprache trainieren kann. So lerne ich auch neue typisch Schweizer Wörter.
Zürich ist wirklich sehr idyllisch. Es gibt den gro ßen See, die Berge und tolle Parks. Da denkt man: Die Menschen hier müssen sehr glücklich sein. Aber ich weiß: Oft ist es gar nicht so. Viele Leute haben Stress. Es gibt viel Druck im Job – und die Stadt ist teuer. Deshalb gibt es ein großes Problem mit Burn-out und psychischen Krankheiten. Da ist die Schweiz Korea sehr ähnlich. Ich als Pastor sage den Leuten immer wieder: Ihr müsst Pausen machen! Man kann nicht nur arbeiten. Auch die Fehlerkultur ist in der Schweiz sehr anders als in den USA. Wenn du hier zum Beispiel als Start-up einen Fehler machst, ist es eine Katastrophe. Das ist schade. Denn jeder Mensch macht Fehler, überall. Wenn man das akzeptiert, ist vieles leichter. Aufgeschrieben von Claudia May