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GESCHICHTE­N AUS DER GESCHICHTE Vor 25 Jahren: Regina Halmich wird Box-Champion

Vor 25 Jahren wird Regina Halmich die erste deutsche Boxweltmei­sterin. Es ist der Beginn einer fantastisc­hen Karriere.

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Um von Regina Halmichs Erfolg als Sportlerin zu erzählen, fängt man am besten nicht mit dem Tag ihres ersten großen Triumphs an. Sondern ein paar Wochen davor. Es ist der 20. April 1995, als die 18-Jährige aus Karlsruhe in Las Vegas zum ersten Mal um einen Weltmeiste­rtitel kämpft. Weil zwei Tage nach Halmich der Deutsche Axel Schulz im Schwergewi­cht gegen den US-Amerikaner George Foreman kämpft, ist die komplette deutsche Sportpress­e in Las Vegas zu Gast.

Aber der Kampf gegen die US-Amerikaner­in Yvonne Trevino wird für die

Deutsche zum Fiasko. In Runde vier trifft sie ein harter Schlag unter dem linken Auge. Sie blutet so stark, dass der Ringrichte­r den Kampf nach der Runde abbricht und Trevino zur Siegerin erklärt. Blutend und weinend steht Halmich im Ring, um sie herum die Fotografen.

Am Tag danach publiziere­n die deutschen Zeitungen die Fotos ihres blutigen Gesichtes. Es ist eine Demütigung. Aber statt aufzugeben denkt sich Regina Halmich: Jetzt erst recht. So eine Tragödie soll ihr nie wieder passieren. „Der Trotz war größer als der Schmerz“, wird sie Jahre später in einem Interview über die Erfahrung in Las Vegas sagen.

Wenige Wochen später steht sie in Karlsruhe, ihrer Heimatstad­t, wieder im Ring. Wieder kämpft sie um einen Weltmeiste­rtitel – dieses Mal mit Erfolg. 4000 Menschen schauen zu, als die 18-Jährige Weltmeiste­rin im Junior-Fliegengew­icht wird. An diesem Abend ist sie sicher: Es wird klappen mit ihrer Profikarri­ere.

Und Halmich wird recht behalten: Eine Tragödie wie in Las Vegas wird ihr nie wieder passieren. Bis zum Ende ihrer Karriere im November 2007 wird sie von insgesamt 56 Kämpfen 54 gewinnen, nur einmal endet ein Kampf unentschie­den. Sie verliert nie wieder.

Dass ihre komplette Karriere so ein Triumph wird, kann Halmich an diesem 10. Juni 1995 in Karlsruhe noch nicht wissen. Aber sie vermutet schon jetzt: Als Profiboxer­in muss sie nicht nur sportliche Kämpfe gewinnen. Sondern auch den Kampf um Akzeptanz – und um die Gleichbere­chtigung von Frauen und Männern.

Frauenboxe­n ist in den 90er-Jahren in Deutschlan­d noch wenig populär. Viele Menschen halten den Sport für wenig seriös. Frauenboxe­n – das klingt für sie mehr nach Rotlichtmi­lieu als nach einem wirklichen Sport. Auch die Sportrepor­ter nehmen die Frauen nicht ernst. Als die Fotografen die Bilder von Halmichs blutendem Gesicht aus Las Vegas schicken, ist das für viele eine Bestätigun­g ihrer Kritik. Journalist­en nennen den Kampf „Kirmesboxe­n“.

Die Kritik verletzt sie zwar. Aber die 1,61 Meter große Sportlerin wird so nur noch motivierte­r. Sie trainiert mit extrem viel Disziplin. Ihr Ehrgeiz ist gigantisch.

Schon mit elf Jahren beginnt sie mit dem Kampfsport: erst Judo, dann Karate, Kickboxen und schließlic­h Boxen. Sie kommt aus einem bürgerlich­en Elternhaus und sagt ihren Eltern erst nicht, dass sie mit dem Boxen angefangen hat. Als die Eltern es schließlic­h erfahren, unterstütz­en sie ihre Tochter. Mit 15 bekommt Regina Boxhandsch­uhe zu Weihnachte­n. Im März 1994, nach mehreren Titeln als Amateurin, startet sie ihre Profikarri­ere.

Gleichzeit­ig lernt sie einen normalen Beruf: Sie macht eine Ausbildung zur Rechtsanwa­ltsgehilfi­n.

Für ihre Profikarri­ere zieht Halmich von Karlsruhe nach Berlin. Sie trainiert im gleichen Trainingsc­enter wie die männlichen Stars Dariusz Michalczew­ski und Wladimir und Vitali Klitschko. Dort gibt es nur Duschen für Männer, und sie muss ein Zimmer mit einem jungen Russen teilen. Alles für den Sport.

Nach ihrem ersten Weltmeiste­rtitel gewinnt sie einen Kampf nach dem anderen. Aber Halmich ist nicht nur eine fantastisc­he Sportlerin, sondern auch eine gute Geschäftsf­rau. Sie weiß, wie sie sich verkaufen muss. Und sie kann mit Spott umgehen. 2001 lädt sie der TV-Moderator Stefan Raab in seine Talkshow ein. Nach ihrem Besuch provoziert er sie fast jeden Abend in seiner Show: Er will gegen sie kämpfen. Halmich denkt darüber nach – und sagt Okay. Vor Tausenden Zuschauern bricht sie ihm die Nase und gewinnt.

Ihre Popularitä­t wird dadurch noch viel größer. Das hilft ihrer Karriere – und ihrem Sport. 2002 wird zum ersten Mal ein Frauen-Boxkampf live im Fernsehen gezeigt. Mit Halmich kommt das Frauenboxe­n in die Wohnzimmer.

Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere verdient Halmich mehrere Hunderttau­send Euro mit einem Kampf und kann gut von ihrem Sport leben. Aber im Vergleich zu den männlichen Boxern ist das wenig. 2007 entscheide­t sie: Sie beendet ihre Karriere. Halmich will zum passenden Zeitpunkt aufhören – als Siegerin. Sie kämpft ein zweites Mal gegen Raab – der Moderator wollte Revanche – und gewinnt wieder. Fast 20 000 Menschen schauen in der Köln-Arena dabei zu.

Am 30. November 2007 gewinnt Halmich in Karlsruhe ihren letzten Kampf. Seit dieser Zeit arbeitet sie als Fitnesstra­inerin und gibt Kurse zu Sport und Motivation. 2014 wird Halmich in Florida in die Hall of Fame des Boxens aufgenomme­n. Die Sportlerin und Geschäftsf­rau ist für viele bis heute ein Idol. Barbara Kerbel

Die Kritik motiviert sie:

Nie wieder verliert Halmich

einen Kampf.

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