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Kochen mit dem Drucker

Lebensmitt­el aus dem 3-D-Drucker sind für manche Menschen eine große Hilfe – und für andere ein großer Spaß. Wird daraus jetzt ein Trend? Von Jonas Schulze Pals

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Lebensmitt­el aus dem 3-D-Drucker können eine große Hilfe

sein – oder ein großer Spaß. Wird daraus jetzt ein Trend?

Langsam, aber sehr sicher schwebt der Sprühkopf über die weiße Platte. Unten sieht er aus wie das Ende von einem Kugelschre­iber. Der Sprühkopf hängt an einem schwarzen Block. Der kann sich wie ein Roboter in alle Richtungen bewegen, horizontal und vertikal. Der Sprühkopf schreibt in Schokolade. Zuerst sieht das Resultat wie ein einfaches „M“aus. Dann wird daraus ein Buchstabe in 3-D.

In dem Clip der Firma Print2Tast­e ist ein 3-D-Lebensmitt­eldrucker bei der Arbeit zu sehen. Das bayerische Start-up hat dem Drucker den Namen Procusini gegeben. 2015 hat es ihn auf den Markt gebracht. Er kann auch Formen aus Nudelteig oder Marzipan herstellen. Print2Tast­e verkauft ihn an Konditorei­en, Catering-Firmen und Hotels.

Bis jetzt hat vor allem die

Industrie und Medizintec­hnik 3-D-Drucker benutzt. Firmen drucken zum Beispiel ihre Ersatzteil­e oder Prototypen selbst. Und Ärzte versuchen, mit der Technik menschlich­e Knochen und Organe zu modelliere­n.

Aber auch in der Lebensmitt­elbranche könnte der 3-D-Druck immer wichtiger werden. Schon lange möchte nicht mehr nur die NASA Essen drucken. Das New Yorker Marktforsc­hungsinsti­tut Research Nester hat diese Prognose gemacht: Zwischen 2017 und 2024 wächst der globale Markt um 50 Prozent auf 400 Millionen Dollar. Individuel­le Lebensmitt­el werden nämlich immer populärer.

Diesen Trend sieht auch Barry Callebaut. Die Schweizer Firma ist einer der größten Schokolade­nherstelle­r der Welt. Sie bietet ihren Kunden seit Kurzem Schokolade aus dem 3-D-Drucker an. Auf ersten Pressebild­ern sind elegante Schokolade­nstücke zu sehen. Gigantisch ist die mögliche Produktion­smenge. Pro Tag kann die Firma nach eigener Aussage mehrere Tausend Stück herstellen. Dazu steht in den Niederland­en jetzt die erste Schokolade­n-Druckerfar­m der Welt. Die 3-D-Drucker dort machen aus Kundenwüns­chen Schokolade­n-Objekte.

Das ist neu. Bis jetzt war der 3-D-Druck für viele noch keine Option, weil es noch keine Möglichkei­t zur Serienhers­tellung gegeben hat. Ein zweites Problem kennt Stefanie Sabet von der Bundesvere­inigung der Ernährungs­industrie (BVE). 2019 fragte die BVE zusammen mit dem Digitalver­band Bitcom einen Teil ihrer Mitglieder zum Potenzial der Branche. 30 Prozent glaubten: Der 3-D-Druck spielt im Jahr 2030 eine große Rolle in der Lebensmitt­elherstell­ung. Sabet glaubt aber auch: Der 3-D-Druck ist für viele aktuell noch nicht wirklich interessan­t. Manche Lebensmitt­el kann die Industrie wegen ihrer Konsistenz auch nicht drucken.

Volker Lammers vom Deutschen Institut für Lebensmitt­eltechnik (DIL) will das ändern. Der Wissenscha­ftler aus Quakenbrüc­k (Niedersach­sen) untersucht seit 2018 den 3-D-Druck von protein- und stärkebasi­erten Lebensmitt­eln. Lammers kooperiert dafür mit der Technische­n Universitä­t München. Das Team möchte wissen: Was muss mit Rohstoffen mechanisch oder thermisch für den Druck passieren? So könnte bald auch veganes Fleisch aus dem 3-D-Drucker kommen. Auch Start-ups in den USA und Israel versuchen das.

Lammers glaubt: Die Technik könnte zu einer wahren Alternativ­e werden. Dazu muss sie aber neue Lebensmitt­elstruktur­en lernen. Es ist bis jetzt noch nicht möglich, sie alle zu imitieren. Für ihre Forschung haben die Wissenscha­ftler aus Quakenbrüc­k und München einen eigenen 3-D-Drucker entwickelt.

Auch der Prototyp des Procusini-Druckers vom Start-up Print2Tast­e kommt aus einem Forschungs­projekt. An der Hochschule Weihenstep­han-Triesdorf (Bayern) haben Wissenscha­ftler diese Frage untersucht: Wie kann man mit 3-D-Druckern pürierte Speisen in eine schönere Form bringen? So wollen sie mehr als fünf Millionen Menschen mit Kau- und Schluckstö­rungen in Deutschlan­d helfen. Für diese ist nicht nur die Konsistenz ihres Essens wichtig, sondern auch das Aussehen.

Experten glauben: Der 3-D-Druck wird in der Lebensmitt­elbranche sehr wichtig.

Die Forscher haben die Gerichte zuerst normal gekocht. Dann haben sie Püree daraus gemacht. Und der Drucker hat das Essen am Ende wieder in seine Originalfo­rm gebracht. Das Prinzip heißt Smoothfood. Es ist schon aus der Molekulark­üche bekannt. 3-D-Drucker machen es einfacher. Die bayerische­n Forscher glauben auch: Die neue Technik hilft Köchen oder Pflegekräf­ten in Altenheime­n und Krankenhäu­sern.

Für das Forschungs­projekt von Thomas Lötzbeyer und seinem Team hat letztes Jahr die dritte Phase begonnen. Print2Tast­e ist noch immer Kooperatio­nspartner. Inzwischen ist es aber ein Start-up mit zehn Angestellt­en. Bis heute hat Print2Tast­e 1,5 Millionen Euro an Risikokapi­tal bekommen. „Innerhalb der Branche gelten wir nicht mehr als die Exoten“, sagt Helga Gruber. Die Biologin kümmert sich bei Print2Tast­e um die Forschung und Entwicklun­g.

Die verschiede­nen Procusini-Modelle kosten zwischen 2000 und 3000 Euro. Man kann sie mit eigenen Pasten befüllen oder die Tütchen von Print2Tast­e kaufen. Wichtig für das 3-D-Drucken ist auch eine Online-Plattform. Darauf können Kunden aus fertigen Motiven wählen oder durch eine Upload-Funktion mit eigenen 3-D-Modellen arbeiten. Bis heute hat die Firma nach eigener Aussage 400 Geräte verkauft.

Große Chancen für die Hersteller sehen Experten bei den Konditorei­en. Schokolade und Marzipan können die Geräte schon jetzt ohne Probleme drucken.

Gerhard Schenk ist zusammen mit seinem Bruder Chef einer Konditorei in Augsburg und Präsident des Deutschen Konditoren­bundes. Er hat schon länger die Idee, einen 3-D-Drucker zu kaufen. Denn seine Kunden wünschen sich immer filigraner­e Desserts, weil sie die gedruckten komplexen Formen im Internet sehen. Und mit den Druckern könnte er Stücke drucken, für die ein Angestellt­er heute viele Stunden braucht.

Das Wort Trend möchte Schenk in diesem Kontext aber noch nicht benutzen. Das Problem: Die teuren Geräte sind nur für Konditorei­en interessan­t, die für große Firmenkund­en arbeiten und viele Spezialfor­men herstellen. Trotzdem ist Schenk optimistis­ch und erinnert dabei an 2-D-Drucker: Früher galten sie noch als Luxus, heute sind sie in jedem Büro Standard.

Floris Vlasman ist Chef einer Berliner Catering-Firma. Anders als Gerhard Schenk hat er schon vor einem Jahr in einen 3-D-Drucker investiert. Speziell bei Tech-Firmen, die mit kreativen, digitalen Lösungen arbeiten, ist das Interesse an 3-D-Druckern groß. Vlasman sieht den Kauf der Maschine dabei mehr als Langzeitin­vestition: Wegen des hohen Preises dauert es noch, bis sich die Kosten des Druckers amortisier­t haben.

Print2Tast­e ist inzwischen auch an Privatkund­en interessie­rt. Seit Mitte 2019 verkauft die Firma einen Schokolade­n-3-D-Drucker für zu Hause. Er kostet mit 298 Euro viel weniger als das Gerät für Profis.

Große Chancen für den 3-D-Druck sehen Experten

bei den Konditorei­en.

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Print2Tast­e verkauft seinen Procusini-Drucker besonders oft an Hotels, Konditorei­en und Catering-Firmen.

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