Deutsch Perfekt

„Kinder dürfen unruhig sein“

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Beim Busfahren darf Jessie Huangs kleiner Sohn Kind sein. Zu einem taiwanesis­chen Klischee über die Deutschen passt das eigentlich nicht.

Mein Mann und ich haben uns in Australien beim Masterstud­ium kennengele­rnt. Das war im Jahr 2012. Nach dem Ende des Studiums sind wir beide wieder in unsere Heimat gegangen. Wir hatten dann zwei Jahre lang eine Fernbezieh­ung. Ende 2014 haben wir geheiratet – und ich bin nach Deutschlan­d umgezogen.

Die erste Zeit war schwer. Ich habe in Taiwan ein halbes Jahr einen Deutschkur­s besucht. Aber am Anfang konnte ich trotzdem nicht viel verstehen. Einmal habe ich fast geweint: Die Kassiereri­n in einem kleinen Supermarkt hat mich etwas gefragt und war dann genervt. Ich hatte etwas nicht verstanden: Ich muss das Etikett für das Obst selbst drucken. Um mein Deutsch zu verbessern, habe ich dann ein Jahr lang einen Intensivku­rs an der Volkshochs­chule Münster besucht. Das hat mir sehr geholfen. Und ich habe viel über die deutsche Kultur gelernt.

Schon im ersten Jahr habe ich einen Job bei einer amerikanis­chen Firma in Münster bekommen. Am Anfang habe ich als Aushilfe im Kundenserv­ice gearbeitet. Später habe ich die feste Stelle als Einkäuferi­n bekommen. Bei der Arbeit brauche ich nur Englisch. Aber ich unterhalte mich gern mit meinen Kollegen auf Deutsch. Sie sind meine besten Lehrer! Von ihnen lerne ich auch die Alltagsspr­ache.

In Taiwan hört man oft dieses Klischee: „Deutsche sind kalt und nicht so freundlich.“Aber die meisten Deutschen sind sehr freundlich, besonders zu kleinen Kindern. Mein Sohn ist jetzt 15 Monate alt. Fremde Leute helfen uns immer wieder. Zum Beispiel im Bus oder im Restaurant. Manchmal bekommt er beim Einkaufen auch ein kleines Brötchen oder ein bisschen Wurst geschenkt. Wenn er im Bus sehr unruhig ist, reagieren die Fahrgäste verständni­svoll. „Das ist normal für ein Kind“, sagen sie dann zu mir. Ich glaube: Das ist einer der vielen Gründe, warum die Kinder hier so glücklich sind.

Natürlich vermisse ich meine Familie und das leckere taiwanesis­che Essen. Zum Glück ist Münster aber eine Universitä­tsstadt mit vielen asiatische­n Restaurant­s. Meine Familie will mich bald besuchen. Dann zeige ich ihr dieses schöne Land.

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