Chaos im Kopf
Mystik, Alkohol oder doch lieber Therapie? Das größte Problem der Großstadt ist, dass es für Probleme so viele Lösungen gibt.
Max’ Astrologin ist so teuer wie seine Miete, Katjas Heilerin kostet im Vergleich nur 100 Euro pro Stunde. Ruth wird zwar bei Geschichten über Gurus schnell skeptisch, aber bessere Methoden gegen ihr Alkoholproblem kennt sie auch nicht. Jede Figur in Nina Bußmanns Roman Dickicht hat Probleme, die so typisch sind für das Leben in der Großstadt. Auch das ist Teil des mystischen Deutschlands (siehe Seite 14). Wer dazu auch noch das Sprachfeature auf Seite 32 gut gelesen hat, wird merken: Die Schriftstellerin benutzt keine Anführungszeichen. So sind Anfang und Ende von Dialogen nicht immer ganz klar. Wen fragt Ruth, wenn sie fragt: sich selbst oder ihre Mitmenschen? Reagieren diese wirklich, oder denkt sich Ruth nur aus, wie ein ehrliches Gespräch vielleicht aussehen würde? Sicher ist nur: Diese künstlerische Entscheidung passt perfekt zu Bußmanns Erzählstil. Die intimen Gedanken ihrer Hauptfiguren kombiniert sie mit Bewusstseinsströmen und Alltagsgesprächen. So verwischen die Grenzen zwischen Gesagtem und Gedachtem, zwischen Nähe und Distanz. Das macht die Leseerfahrung besonders dynamisch, gleichzeitig aber auch zu einer Prüfung für Lerner der Sprache: Wer nicht für jedes neue Wort eine Pause macht, wird bald erfahren, wie es wohl aussehen muss in den chaotischen Köpfen der Protagonisten. Dort, wo ein Dickicht aus Gedanken, Hoffnungen und Ängsten fragt: Was ist die Lösung? Und gibt es denn eine? Für Leser mit Deutschkenntnissen ab Niveau C1 ist Dickicht gut zu verstehen.