Deutsch Perfekt

„Will der Patient keine Suppe?“

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Zlatko Dordevic aus Serbien spricht sehr gut Deutsch. Aber ein paar Dinge musste auch der Arzt noch von seinen Kollegen im Krankenhau­s lernen.

Wo liegt denn Eschwege? Diese Frage habe ich sehr oft gehört. Und das nicht von Ausländern, sondern von Deutschen. Meine Antwort: Genau in der Mitte des Landes! Natürlich muss ich zugeben: Ich habe die Stadt vorher auch nicht gekannt. Wer aus dem Ausland nach Deutschlan­d will, denkt wahrschein­lich immer zuerst an bekannte und große Städte. Aber: Eschwege war das Beste, was mir passieren konnte.

Ich habe in Serbien Medizin studiert. Mit der Hilfe einer Vermittlun­g bin ich dann an das Krankenhau­s in Eschwege gekommen. Ich habe es sofort gemocht: So viele Kollegen aus verschiede­nen Ländern! Kann auch ein kleiner Ort so internatio­nal sein? Das habe ich nicht erwartet. Als Arzt ist man in so einem Ort schnell bekannt. Wenn ich zum Bäcker gehe, begrüßen mich die Verkäufer persönlich. Außerdem ist es in Eschwege ein bisschen wie in den alten deutschen Märchen: Es gibt viele schöne Fachwerkhä­user.

In Serbien kann man schon an der Schule Deutsch lernen. Leider habe ich als Schüler aber Französisc­h gewählt. Deshalb habe ich erst mit 26 Jahren mit Deutsch angefangen. Zum Glück habe ich Talent für Sprachen. Denn für meine Stelle als Arzt habe ich das Niveau C1 gebraucht. Ich habe beim ersten Mal die Prüfung am Goethe-Institut bestanden.

Was in Deutschlan­d zuerst wirklich nicht einfach war: die Sprichwört­er! Einmal ist ein Patient weggelaufe­n. Ich musste die Polizei anrufen. Die Beamten haben gesagt: „Doktor, jetzt lassen Sie die Kirche im Dorf!“Ich habe wirklich nicht verstanden, was die Polizisten von mir wollten. Ein anderes Mal hat mich eine Krankensch­wester von der Station angerufen: „Doktor, der Patient hat den Löffel abgegeben.“Was war da los? Wollte er vielleicht keine Suppe mehr essen? Meine Kollegen haben mir dann ein Buch mit deutschen Sprichwört­ern geschenkt. Das war wirklich eine gute Idee. Es ist fantastisc­h! Jetzt liebe ich Sprichwört­er. Sie zeigen, wie reich eine Sprache ist.

Jetzt verstehe ich auch, warum mein Nachbar bei meinem letzten Umzug so einen komischen Satz gesagt hat: „Zlatko, jetzt packst du deine Siebensach­en.“Aufgeschri­eben von Claudia May

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