„Muss denn überall gegrillt werden?“
und tut dort ziemlich verrückte Dinge: Feuer machen und Gemüse auf Spieße setzen. Nie würde man sich ja einfach so auf die schlimme Hinterhof-Grasfläche setzen. Aber man macht es wie selbstverständlich, sobald ein Grill dabei ist.
Selbst der größte Ordnungsfanatiker muss improvisieren, und selbst der größte Soziopath lädt zum Grillen noch ein paar Leute ein. Er weiß nämlich: Grillen ist genug Unterhaltung für den ganzen Abend. Wenn man „Grillen“sagt, schwingen neben Essen und Trinken noch zehn andere Sachen mit: Frisbee spielen, Leute treffen, mit Bierflaschen in der Gegend stehen, Lichter anzünden, Sternbilder raten. Kindern und Glühwürmchen oder einfach nur dem Tag dabei zuschauen, wie lange er noch gegen die Nacht durchhält. Und wenn man dann gestochen wird, na ja. Das ist eben die finale Bestätigung dafür, dass man gerade ein kleines Abenteuer auf sich genommen hat.
„Ist das ein Weber?“
Auf die Frage, wonach Deutschland charakteristisch klingt, muss man antworten: nach dem Kesseln der Weber-Grills in den Neubaugebieten am Samstagnachmittag. Nichts hat deutschen Baumärkten und Nachbarschaftsstreits in den vergangenen 15 Jahren mehr genützt als die grotesken Baumarkt-Präsentationsflächen der Firma Weber, die inzwischen auch im Winter nicht mehr abgebaut werden. Heute weiß ja jeder: Wintergrillen ist die Nordkapfahrt des kleinen Mannes.
Die Firma Weber hat mit dem Import der US-Grillkultur in Deutschland viel verändert: der Deckel, die indirekten Grillzonen, das viele Zubehör – man hatte ja keine Ahnung! 60 Jahre nach Kriegsende haben die Amerikaner Bratwurst und Steak aus den Mauern des Kamingrills befreit. Der Zubehörkatalog der Firma ist inzwischen so dick wie der von einem Autohersteller. Von der „Halterung für Schweinefiletstreifen“bis zum „Weber Premium Tablett“. Zu dem 49,99 Euro teuren Tablett schreibt der Hersteller: „Dank der rutschfesten, weichen Oberfläche und der vier Gummifüße des eleganten Premium-Tabletts kannst du dein
Grillgut sicher und einfach zum Grill tragen und später servieren.“Okay! Wäre alles nicht schlimm, wenn die Weber-Anhänger nicht so militant gegen Andersgläubige vorgehen würden.
Diese Frage fällt mit Blick auf die Müllberge seitlich des Nachhausewegs. Als Antwort hat die junge dänische Firma Casus einen interessanten Öko-Einweggrill entwickelt: Mit Bambusstöckchen, Lavastein, Papphülle und einem Preis von 9,99 Euro soll er ein Mittel gegen die schlimmen Alu-Teile sein. Die gehören zum Billigsten, was man an einer deutschen Tankstelle kaufen kann.
Diese Revolution wird natürlich nicht funktionieren. Beim Thema Einweggrill etwas ökologisch verändern zu wollen, ist fast so, wie wenn man beim Thema Junggesellenabschied auf niveauvolle Unterhaltung achten wollte. Nein, der Einweggrill ist wie das Notrad beim Auto: Spontan möchte man das Ding feiern, weil es einen erst mal rettet. Aber nach zehn Minuten nervt es trotzdem sehr, egal ob man es selbst benutzt oder der Sitznachbar am See. Dünnes Aluminium, Anzündhilfe, extrem dünner Rost und eine Arbeitshöhe von etwa zwölf Zentimetern über dem schmutzigen Ufer: Bei dieser toxisch-puristischen Art des Grillens merkt man, was für eine Katastrophe die ganze Sache eigentlich ist.
Industriell auf Neonorange gewürzte Steaks, die auf schwacher Flamme innerhalb von fünf Minuten von blutig zu halbschwarz wechseln und auf die man sich trotzdem freut – verrückt. Aber andererseits auch eine Offenbarung, wie wenig man eigentlich fürs Grillen braucht: ein paar Kohlestücke in Aluminium und ein Feuerzeug. Und irgendjemanden, der den fettig-rußigen Rest nachher freiwillig in einen mehr als vollen Parkmülleimer steckt, bevor es dann nach Hause geht.