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SCHWIMMHEL­FER Die revolution­äre Idee des Bernhard Markwitz

1964 hat ein Hamburger eine revolution­äre Idee: Spezielle Hilfen sollen Kinder beim Schwimmen schützen. Aber niemand glaubt an diese Schwimmflü­gel. Erst ein Lottogewin­n ändert die Situation.

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Zu sehen ist es am See, am Meer oder im Schwimmbad: Wenn Kinder in Richtung Wasser laufen, tun sie das fast nie allein. Sie haben aufblasbar­e Krokodile, Delfine oder Schwimmrin­ge dabei. Die Kleinsten aber tragen fast alle Schwimmflü­gel – in der Leuchtfarb­e Orange. Seit mehr als 50 Jahren ist das schon so. Erfunden hat sie ein Mann in Hamburg.

Angefangen hat alles mit einem Unfall. Bernhard Markwitz kommt nach dem Krieg nach Hamburg. Dort hat er ein Import-Export-Geschäft für Seifen und Spirituose­n, so erinnert sich seine Tochter Annette Rave.

An einem Tag im Jahr 1956 fällt die damals dreijährig­e Annette in den Gartenteic­h. Die Eltern können das Kind retten. Danach fragt sich der Vater: Wie kann man Kinder besser schützen? Er selbst ist ein sicherer Schwimmer und Mitglied bei einer Organisati­on für Wasserrett­ung.

Schwimmhil­fen für Kinder sind zu der Zeit oft aus Kork oder Gummi. Die Kleinen tragen sie als Gürtel um den Bauch. Aber diese Konstrukti­onen haben einen großen Fehler: Ein Gürtel hält den Po über Wasser, nicht aber den Kopf. Für Markwitz sind die Teile „Mordinstru­mente“.

Seine Idee: Schwimmhil­fen an den Oberarmen. Er legt sich Fahrradsch­läuche um die Arme und geht damit baden. Funktionie­rt ganz gut. Markwitz experiment­iert weiter. Er konstruier­t eigene Schläuche. „Ausprobier­t habe ich die Dinger im Holthusenb­ad“, erzählt er in einem Interview im Jahr 2000 kurz vor seinem Tod. „Da haben die Leute immer gesagt: Da kommt er wieder, der Idiot.“

Was war das für ein Vater für seine Tochter? Ein Held? Eine Zumutung? Weder noch, sagt Annette Rave: „Was mein Vater da erfunden hat, ist mir eigentlich erst nach seinem Tod bewusst geworden. Da riefen von überall die Journalist­en an. Als Kind ist das bei uns nie so’n Thema gewesen.“

Wahrschein­lich auch deshalb nicht, weil die Tochter und der jüngere Sohn Rainer die Schwimmhil­fen nie benutzen. Denn sie sind schon lange sichere Schwimmer, als Markwitz mit seiner Erfindung fertig ist. Am 24. Oktober 1964 meldet er sie beim Deutschen Patentamt an. Rund drei Jahre später bekommt der Vater die Patenturku­nde für einen „aufblasbar­en Oberarm-Schwimmrin­g“, der „unverrückb­ar fest am Arm sitzt“.

Das Wort Schwimmflü­gel steht in der Patenturku­nde noch nicht. Auch liest man nur von einer „Leuchtfarb­e“. Das bis heute typische Orange ist dort also nicht offiziell festgelegt.

Zuerst glaubt kaum jemand an die neue Idee. Aber das ist für Markwitz kein Drama. Er muss niemanden um Geld bitten. Denn das Startkapit­al kommt durch einen großen Lottogewin­n. Eine märchenhaf­te Geschichte. „Nein“, sagt Annette Rave. „Das ist keine märchenhaf­te Geschichte. Das ist Tatsache.“

Den Namen für seine Firma bekommt Markwitz dann von seinem Sohn. Der Elfjährige wählt eine Kurzformel, wie viele es damals tun: Nach den Schuhen von Adidas (Adolf Dassler) und der Limonade Bluna (hergestell­t von der Blumhoffer Nachfolger GmbH) gibt es nun Bema – die Schwimmflü­gel von Bernhard Markwitz.

Sie bleiben nicht seine letzte Erfindung: Der Hamburger meldet noch andere Dinge beim Patentamt an. Der Bestseller von Bema bleiben aber die Schwimmflü­gel. Bis in die 90er-Jahre verkauft Markwitz sie 150 Millionen Mal, später hat er auch ein Büro in Florida. Dann kauft eine Firma aus Bremen die Rechte. Dort möchte man zu aktuellen Zahlen nichts sagen. Nur so viel: „Wir sind sehr zufrieden mit dem Produkt.“

Bis heute hat sich das Design der Schwimmflü­gel kaum geändert. Auch wenn es die typische Ästhetik der 60er-Jahre zeigt. Sicher ist: Aus der Idee von Markwitz ist die Luft wirklich noch nicht raus. Oskar Piegsa

„Die Leute haben immer gesagt: Da kommt er wieder, der

Idiot.“

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