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Die Legende vom Sparen

Die Deutschen sparen gern und viel – stimmt das wirklich?

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Die neue Sauna im Badezimmer, ein Trampolin für das Wohnzimmer und der Hund zum Spaziereng­ehen: In der Corona-Pandemie haben sich viele Menschen Wünsche erfüllt. Denn die meisten Menschen sind in diesen Monaten mehr als sonst zu Hause. Da will es jeder nett und schön haben. Das Geld für neue Dinge ist bei vielen da: Die meisten Urlaubsrei­sen haben nicht stattgefun­den. Die Restaurant­s waren immer wieder zu. Und auch Shoppingau­sflüge sind selten geworden. Es ist also die Zeit für ein bisschen Luxus in der eigenen Wohnung!

Aber so einfach ist das auch nicht: Wer eine Sauna möchte, muss zurzeit oft Monate warten. Denn die Idee haben viele andere auch gehabt. Ähnlich ist die Situation bei Fitnessger­äten. Und auch der Weg zum eigenen Hund ist komplizier­t: Züchter haben nicht mehr genug Tiere. Wohin also jetzt mit dem vielen Geld?

Zuerst: Nicht jeder Deutsche hat in der Krise keine finanziell­en Probleme. Und schon vor der Pandemie mussten viele Menschen im Alltag sehr genau kalkuliere­n, obwohl die deutsche Konjunktur sehr gut war – und die Arbeitslos­enquote niedrig. So hatten schon im Jahr 2017 rund 27 Prozent der Deutschen nach eigenen Angaben keine Rücklagen. Das ist das Resultat einer Umfrage der ING-Diba. Im Dezember 2019 waren es dann 31 Prozent, im Mai 2020 immer noch 29 Prozent. Was ist nur aus dem legendären Sparweltme­ister Deutschlan­d geworden?

Klar ist: Wer seinen kompletten Lohn für den Alltag braucht, der kann nicht noch Geld in Aktienfond­s investiere­n. Und das ist bei vielen Menschen schon lange so. Deshalb stimmt das Klischee der Sparweltme­ister nicht. Es ist sogar noch schlimmer: Es reicht nicht einmal für den Europameis­ter. Die Untersuchu­ng der ING-Diba macht deutlich: Deutschlan­d hat in Europa aktuell einen der höchsten Anteile an Bürgerinne­n und Bürgern ohne eine Rücklage. Man muss sich Sparen also auch leisten können.

Rund 70 Prozent der Bürger haben dieses Privileg. Aber wie viel Geld haben diese als Reserve? Denn es ist natürlich ein Unterschie­d, ob man nur ein paar oder 10 000 Euro als Rücklage hat. Hier sagen fast 50 Prozent der Deutschen, dass sie Rücklagen von mehr als drei Monatslöhn­en (netto) haben. Manche Menschen konnten oder wollten bei dieser Frage keine Angaben machen. Rechnet man diese heraus, sind es rund 59 Prozent. Das ist in Europa ein Platz im Mittelfeld – auch noch sehr weit weg von Rekorden. Außerdem gibt es noch ein Problem: Die meisten Deutschen sparen sehr konservati­v. So landen die meisten Rücklagen immer noch auf dem privaten Bankkonto. Denn es ist nicht nur bei allen bekannt, sondern auch sicher: Ein Crash an der Börse tut dem Geld dort nicht weh. Aber es gibt leider auch kaum Zinsen. Manchmal müssen Bankkunden sogar etwas dafür bezahlen: Negativzin­sen.

Eine aktuelle Untersuchu­ng der Philipps-Universitä­t in Marburg für Union Investment zeigt: Im Jahr 2019 hat jeder Bürger mit Rücklagen auf dem Giround Tagesgeldk­onto und in Termin- und Spareinlag­en im Durchschni­tt 380 Euro verloren. Wegen der Corona-Krise steigt diese Summe aktuell immer weiter, sagen Experten. Denn das Geld für die letzte Urlaubsrei­se liegt nun auch noch auf dem Girokonto – und nicht im Aktienfond­s. So sparen sich die Menschen im Land arm.

Aber die Deutschen haben beim Geldausgeb­en Disziplin. Nur bei wenigen fehlt manchmal am Monatsende das Geld, zeigt die Umfrage der ING-Diba. Und sie leihen sich selten Geld bei anderen. Anders als zum Beispiel in den USA sind Kredite im Alltag nicht sehr populär. Das Motto der meisten: Gib nur das Geld aus, das du auch hast. Ist es da, darf es dann auch eine Sauna sein. Claudia May

Drei von zehn Deutschen haben keine finanziell­en Reserven.

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