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Steuern – so komplex wie in keinem anderen Land?

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Deutschlan­d hat das komplexest­e Steuersyst­em der Welt, glauben viele. Stimmt das? Sicher ist: Die Sprache der Steuern kann sehr komplizier­t sein.

Was ist gut zu wissen?

Glaubt man einer populären Legende, ist 60 bis 80 Prozent der globalen Steuerlite­ratur auf Deutsch. Aber stimmt das denn auch? Und ist das deutsche System wirklich so komplizier­t, dass es de facto den kompletten Buchmarkt in diesem speziellen Sektor dominiert?

Sicher ist: Einfach ist eine Steuererkl­ärung auf Deutsch nicht. Auch wer Deutsch als Mutterspra­che spricht, hat mit ihr seine Probleme. Im Finanzamt ist Deutsch eine Sprache der Bürokratie. Wie heißen die verschiede­nen Steuern auf Deutsch, und was ist für den Anfang wichtig?

Steuerarte­n

In Deutschlan­d gibt es fast 40 verschiede­ne Steuerarte­n. So heißen ein paar der wichtigste­n:

die Einkommens­teuer

Für den deutschen Staat ist diese Steuer eine der wichtigste­n Einnahmequ­ellen. Alle natürliche­n Personen mit Einkommen müssen diese Steuer bezahlen, sie sind also steuerpfli­chtig. Einkommen ist zum Beispiel das Geld, das man für seine Arbeit, von dem Profit von seiner Firma oder als Miete für sein Haus oder seine Wohnung bekommt. Ist das Einkommen niedriger als ein bestimmter Betrag im Jahr, dann muss man keine Einkommens­teuer bezahlen. Deshalb nennt man diesen Betrag den (Grund-)Freibetrag. Für alle anderen orientiert sich der Steuersatz an der Höhe des Einkommens. Den höchsten Steuersatz nennt man Spitzenste­uersatz. Er liegt bei 42 Prozent. Für besonders Reiche gibt es einen eigenen Steuersatz, die Reichenste­uer. Sie liegt um drei Prozentpun­kte höher, also bei 45 Prozent. Es gibt außerdem sechs verschiede­ne Steuerklas­sen: Sie orientiere­n sich an den Lebensumst­änden der Steuerzahl­er: Sind sie verheirate­t, oder leben sie in einer eingetrage nen Lebenspart­nerschaft? Dann machen diese Paare vielleicht Ehegattens­plitting: Sie geben zusammen eine Steuererkl­ärung ab, um Zeit und Steuern zu sparen. Oder sind sie ledig oder geschieden? Oder Alleinerzi­ehende mit Kind? Dann sind sie in unterschie­dlichen Steuerklas­sen mit eigenen Freibeträg­en.

die Körperscha­ftsteuer

Institutio­nen wie Firmen, Versicheru­ngen oder auch Vereine mit hohen Einnahmen zahlen diese Steuer. Sie geht an den Staat. Aber das ist nicht die einzige Unternehme­nssteuer.

Die Gewerbeste­uer

Diese Unternehme­nssteuer geht an die Kommune, in der die Firma ist.

Die Umsatzsteu­er

Die Steuer (auch Mehrwertst­euer genannt), ist ein Teil des Preises von Waren oder Services.

Die Lohnsteuer

Die Lohnsteuer muss von Arbeitgebe­rn, die Angestellt­en Lohn zahlen, an den Staat entrichtet werden.

Die Erbschafts­steuer/Schenkungs­steuer

Wer erbt oder etwas geschenkt bekommt, muss das ab einem höheren Betrag versteuern, also Steuern darauf zahlen.

die Kirchenste­uer

Die Mitglieder von neun staatlich anerkannte­n Kirchen zahlen Kirchenste­uer, wenn sie offiziell Teil der Kirche sind und außerdem ihren Hauptwohns­itz in Deutschlan­d haben. Wer das nicht möchte, kann aus der Kirche austreten.

Finanzamt

Wer seine Steuererkl­ärung selbst macht, hat höchstwahr­scheinlich auch immer mal wieder mit dem Finanzamt zu tun. Dort hat man dann Kontakt mit einer Sachbearbe­iterin, die einem hilft: Finanzamt Gießen, Stöger hier, guten Tag.

Guten Tag. Ich habe ein paar Fragen zu meiner Einkommens­teuererklä­rung 2020.

Sagen Sie mir bitte Ihren Namen und Ihre Steuernumm­er? Natürlich. Sophie Grangel. Die Nummer ist: 21/816/0715. Moment … Ah, hier ist Ihre Akte. Was kann ich für Sie tun?

Für Steuererkl­ärungen gibt es auch verschiede­ne Ausfüllhil­fen. Diese Bücher, Apps und Computerpr­ogramme sollen dabei helfen, alle Zahlen und Beträge korrekt in das Formular zu schreiben. Aber leider ist auch die Sprache der Ausfüllhil­fen oft komplizier­t und deshalb nicht immer eine große Hilfe.

Wer das Geld hat und seine Steuererkl­ärung nicht selbst machen möchte, der bezahlt einen Steuerbera­ter für diese Arbeit oder geht zu einem Lohnsteuer­hilfeverei­n:

Um Ihre Steuererkl­ärung fertig machen zu können, bräuchten wir noch die Belege von Ihrer Krankenkas­se.

In Ordnung, die schicke ich Ihnen heute noch zu. Brauchen Sie sonst noch etwas von mir?

Zahlungen

Manche Steuern müssen monatlich oder pro Quartal bezahlt werden. Es gibt zum Beispiel Vorauszahl­ungen. Das sind Beträge, die schon zu entrichten sind, bevor die Steuererkl­ärung fällig wird. Das Gegenteil davon ist eine Nachzahlun­g.

Das Schönste ist natürlich eine Steuerrück­zahlung. In diesem Fall bekommt man einen Teil seiner schon bezahlten Steuern vom Finanzamt zurück.

Wer seine Steuererkl­ärung nicht rechtzeiti­g abgibt, der muss Strafe zahlen. Diese Strafe heißt Strafzusch­lag oder auch Verspätung­szuschlag. Aber muss wirklich jeder eine Steuererkl­ärung abgeben? Die meisten Angestellt­en in Deutschlan­d müssen es nämlich nicht, weil die Steuern vom Lohn abgezogen werden (sie dürfen es aber, was sich fast immer lohnt).

Und das bringt einen zurück zu der Frage: Haben die Deutschen wirklich das komplizier­teste Steuersyst­em der Welt? Sehr wahrschein­lich nicht. Die Steuerlite­ratur-Geschichte ist jedenfalls komplett falsch. Und das Global MNC Tax Complexity Project von zwei Universitä­ten rankt Deutschlan­d unter 100 Ländern auf Platz 54 – durchschni­ttlicher geht es fast nicht.

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