„Mit Humor antworten“
Karamba Diaby ist das einzige schwarze Mitglied des deutschen Parlaments. Rassismus ist Teil seines Alltags, Klischees sind es auch. Trotzdem ist er glücklich, in Deutschland zu leben.
Herr Diaby, wie antworten Sie, wenn Leute Sie fragen, woher Sie kommen?
Ich sage, dass ich aus dem Paulusviertel komme. Wissen Sie, wo das ist?
Wahrscheinlich liegt das in Ihrem Wohnort, also Halle …
Ja, genau. Ich fühle mich nicht verletzt, wenn man mich das fragt. Aber das sollte nicht eine der ersten Fragen sein, die ich jemandem stelle. Ich mache so die Herkunft der Person zum zentralen Thema und nicht die Person selbst. Wer sie ist, was sie gemacht hat – dafür zeige ich so kein Interesse. Sondern nur dafür, dass sie nicht von hier kommt. Das finde ich nicht gut. Aber wenn wir schon über das Wetter, die Welt und Corona gesprochen haben, dann kann man mich auch das fragen. Das Wichtigste ist dann, mit Humor zu antworten. Damit kann ich erreichen, dass der andere darüber nachdenkt. Denn: Ein Schwarzer kann auch in Halle, München oder Stuttgart geboren sein.
Passiert es Ihnen oft, dass Leute Klischees über Sie haben, weil Sie schwarz sind?
Ja, natürlich. Ein Beispiel: wenn Leute mich fragen, wie viele Kinder ich habe. Meine Antwort: „Zwei.“Dann kommt oft die Reaktion: „Was? Nur?“Weil diese Leute ein Klischee im Kopf haben. Das kann sehr unangenehm sein.
Ihre Hautfarbe spielt also im täglichen Leben noch oft eine Rolle?
Sehen Sie, ich bin bis heute der einzige schwarze Mensch im Bundestag. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis. Und es macht mich auch traurig, dass das immer noch so in den Mittelpunkt gestellt wird. Ich habe Naturwissenschaften studiert, bin Familienvater und großer Kleingärten-Liebhaber – aber das interessiert kaum jemanden. Das ist sehr schade.
Kann es aber auch ein Vorteil sein, genau für diese Sache bekannt zu sein?
Das würde ich so nicht sagen. Aber Kolleginnen und Kollegen haben schon zu mir gesagt: „Ich sitze seit drei Legislaturperioden im Bundestag. Dann ziehst du ein und kommst mit so viel Presse an, wie ich in meinem Leben noch nie hatte!“Das ist natürlich auch Grund für Neid. Aber es gibt einen bekannten Satz: „Neid muss man sich erarbeiten, Mitleid bekommt man umsonst.“Seit ich dieses Motto kenne, lebe ich ruhiger. (lacht)
Aber eigentlich würden Sie sich wünschen, dass Sie dieses Interesse nicht wegen Ihrer Hautfarbe bekommen?
Genau, das sollte Normalität sein. Bei mir in Halle ist das auch schon so. Da bin ich nur der Karamba Diaby, SPD-Abgeordneter. Aber außerhalb von Halle bin ich der Bundestagsabgeordnete mit afrikanischer Abstammung.
Hatten Sie schon einmal das Gefühl, dass es falsch war, nach Deutschland umzuziehen?
Nein, ich habe es noch nie bereut. Ich bin sehr froh, dass ich die Chance hatte, nach Deutschland zu kommen und zu studieren. Ich habe hier zwei Kinder bekommen, die jetzt erwachsen sind. Und ich bin ein wirklicher Ossi: Ich lebe glücklich in Halle. Seit 1986 war ich von dort noch nie länger als vier Wochen weg. Ich denke, das sagt alles. Interview: Guillaume Horst