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Sicher am Telefon

Wie telefonier­t man auf Deutsch richtig? Und was hilft gegen die Angst vor dem Gespräch?

- MITTEL

Im Beruf und auch im Privatlebe­n funktionie­rt wenig ohne das Telefon. Aber wie telefonier­t man auf Deutsch richtig? Und was hilft gegen die Angst vor dem

Gespräch in einer fremden Sprache? Von Claudia May

An ihren ersten Anruf in Deutschlan­d kann sich Iciar Iglesias noch genau erinnern: Sie wollte in einem Restaurant einen Tisch reserviere­n. „Ich habe mir auf einen Zettel die wichtigste­n Punkte geschriebe­n. Also nicht nur die Begrüßung, sondern auch Name, Anzahl der Personen und die Uhrzeit. Damit ich in der für mich fremden Sprache auch wirklich nichts vergesse“, erzählt die Spanierin. Aber sehr weit kam sie nicht. „Ich wurde sofort gefragt: Wie schreibt man Iciar? Können Sie den Namen bitte buchstabie­ren?“, sagt die 46-Jährige und lacht. „Ich war damit natürlich komplett überforder­t. Wie buchstabie­rt man denn auf Deutsch?“

Ein I wie Ida oder C wie Cäsar gibt es in Spanien nämlich nicht. Dort besteht das Buchstabie­ralphabet aus Städten: Die Einheimisc­hen sprechen am Telefon dann von einem B wie Barcelona oder einem M wie Madrid. „Zum Glück gab es dann bei meinem Nachnamen keine Probleme mehr“, erzählt Iglesias. „Dank Enrique Iglesias – der Sänger ist auch in Deutschlan­d bei Kellnern bekannt.“Für ein bisschen Adrenalin im Blut hat der Anruf bei der Spanierin natürlich trotzdem gesorgt. Aber muss man vor Telefonges­prächen auf Deutsch eigentlich Angst haben?

„Die klare Antwort ist: nein“, sagt Telefontra­inerin Claudia Fischer. „Natürlich ist es zuerst eine Herausford­erung, die ein bisschen Überwindun­g kostet. Aber es gibt ein einfaches Mittel dagegen: einfach machen. Dann wird es jedes Mal ein bisschen leichter und bringt auch irgendwann Spaß.“Die Müncheneri­n weiß auch: Ausländer sind mit dieser Angst gar nicht so allein. Auch für viele Mutterspra­chler ist es nicht einfach.

„Jeder tut gut daran zu lernen, wie Telefonier­en funktionie­rt. Im Moment beobachte ich, dass immer mehr Jugendlich­e das auch nicht können“, erzählt die 53-Jährige. „Denn sie wachsen nicht mehr mit Telefonges­prächen auf, sondern mit

Whatsapp-Chats, in denen es vielleicht kurze Audionachr­ichten gibt.“Aber die sind kein Dialog, sondern ein Monolog.

Üben müssen also viele. Aber wie startet man am besten? „Die Idee, vorher einen Spickzette­l zu machen, ist super“, sagt Fischer. „Da kann man dann vor dem Gespräch eine schöne Begrüßung notieren und auch alles andere aufschreib­en, was man braucht.“Der Zettel darf dann aber nicht zu klein sein: Denn es ist auch gut, sich Dinge aufzuschre­iben, die der Gesprächsp­artner sagt. „Notieren Sie sich zuerst seinen Namen“, rät die Expertin. „Denn je leichter er ist, desto eher vergessen Sie ihn – oder machen später einen komplett anderen daraus.“

Ihr selbst ist das auch schon passiert. Denn ihr Nachname Fischer ist ziemlich einfach zu verstehen. Und in Kombinatio­n mit dem Vornamen Claudia haben manche sofort an das berühmtest­e deutsche Model gedacht, das auch so heißt. „Heute hat Claudia Schiffer hier einen Tisch reserviert“, erzählte dann der Chef eines italienisc­hen Restaurant­s im Zentrum von München seinen Mitarbeite­rn.

Der Spickzette­l hilft natürlich nicht nur, wenn man bei jemandem anruft. Auch wenn das Telefon selbst bei einem klingelt, ist er nicht verkehrt. Dabei muss man natürlich unterschei­den: Ist es der Anschluss zu Hause? Oder meldet man sich an seinem Arbeitspla­tz? Im privaten Umfeld melden sich viele Deutsche wirklich nur mit ihrem Nachnamen. „Aber das klingt, gerade bei kurzen Namen, oft forsch als Begrüßung“, sagt Fischer. „Ich empfehle immer, Vor- und Nachnamen zu nennen. Das ist viel sympathisc­her.“

In Firmen gibt es oft klare Regeln. Deshalb ist es keine schlechte Idee, seine Kollegen oder auch die Chefin danach zu fragen. Denn natürlich soll sich hier niemand nur mit seinem Nachnamen melden. Für die Anrufer ist es wichtig zu wissen: Bin ich wirklich an der richtigen Stelle? Deshalb wird oft zuerst der Name der Firma und der Abteilung genannt.

Viele Deutsche melden sich am Telefon wirklich nur mit ihrem Nachnamen.

Erst dann folgt der Name der Mitarbeite­rin – und dann die Begrüßung.

Anders ist es, wenn man selbst jemanden anruft. „Da kommt der Gruß als Erstes“, erklärt die Telefontra­inerin. „Wer direkt mit seinem Namen anfängt, speziell wenn ein Anruf nicht erwartet wird, überforder­t den anderen.“Hier steht dann also zum Beispiel ein „Guten Tag“an erster Stelle. Dann erst kommt alles Weitere wie der Name und der Grund des Anrufs. Das alles natürlich am besten langsam und deutlich. Denn viele Menschen – auch Mutterspra­chler – reden am Telefon viel zu schnell und außerdem undeutlich. Auch deshalb, weil viele das Telefonier­en immer noch ein bisschen unangenehm finden (siehe Interview).

Wichtig ist aber nicht nur das Sprechen, sondern auch aktives Zuhören. Dabei geht es nicht darum, immer wieder kleine akustische Signale wie hm oder ja zu geben. „Greifen Sie Aussagen ihres Gesprächsp­artners auf, fragen Sie nach. Signalisie­ren Sie ihm: Ich habe deine Botschaft wahrgenomm­en“, sagt Fischer. Aber Vorsicht: Forsch unterbrech­en darf man den anderen dabei natürlich nicht. Das gilt als sehr unhöflich – anders als in Spanien. Iciar Iglesias hat deshalb am Anfang ein paar Probleme bekommen. „In meiner Heimat zeigt man sein Interesse, wenn man seinen Gesprächsp­artner unterbrich­t“, sagt sie. „Heute weiß ich natürlich, dass das in Deutschlan­d anders ist.“

Inzwischen hat Iglesias mit dem Telefonier­en auf Deutsch kaum noch Probleme. Und genau wie Telefonexp­ertin Fischer konnte sie sich schon über eine lustige Verwechslu­ng freuen. Die Spanierin hatte in einem Hotel in Regensburg ein Zimmer reserviert – natürlich auf ihren Namen. „Als ich dann ankam, standen dort fast alle Angestellt­en in der Lobby“, erzählt sie. „Ich habe dann verstanden: Hier dachten alle, dass die Familie von Enrique Iglesias kommt.“Die 46-Jährige muss noch heute lachen, wenn sie an diesen Nachmittag denkt. In Spanien wäre ihr das nicht passiert: Iglesias ist dort ein ziemlich typischer Nachname. Aber vielleicht hätte ein Thomas Müller in Madrid ein ähnliches Erlebnis.

Frau Fischer, ist es schlimm, wenn ich am Telefon einen Akzent habe?

Egal ob Akzent oder auch ein deutscher Dialekt: Das ist sehr charmant! Wichtig ist, dass sie langsam sprechen. Mit etwas weniger Tempo kann man Sie auch mit Akzent meistens sehr gut verstehen.

Und wenn ich ihn nicht verstehe?

Dann fragen Sie nach. Beim Verabreden eines Arzttermin­s zum Beispiel: „Habe ich richtig verstanden, ich komme um acht Uhr?“Solche Fragen werden gern beantworte­t. Sie zeigen sogar, dass Sie wirklich aktiv zuhören und Interesse haben. Es ist auch okay zu sagen: „Bitte sprechen Sie langsamer, mein Deutsch ist noch nicht so gut.“

Aber wenn ich nun große Angst vor dem Telefonier­en in einer fremden Sprache habe?

Es ist normal, sich am Anfang nicht wohlzufühl­en. Es ist eine neue Situation – aber sie lernen durch Übung. Bereiten Sie sich gut vor: Schreiben Sie sich als kleine Hilfe vor einem Gespräch wichtigste Dinge wie die Begrüßung, Ihre Fragen und die Abschiedsf­ormel auf einen Zettel. Dann können Sie immer wieder nachsehen. Atmen Sie durch, und freuen Sie sich auf das Gespräch. Denn das hört auch der Gesprächsp­artner.

Wie merkt mein Gesprächsp­artner das?

Wenn man viel Stress fühlt, verkrampft man sich, und die Stimme ist anders. Aber es gibt einen Trick: Sagen Sie laut „mhmm“, bis die Lippen vibrieren. Das ist Ihre natürliche Stimmlage. Da haben Sie dann Schokolade in der Stimme! Machen Sie das jeden Tag. Irgendwann reicht es, dass Sie an dieses „mhmm“denken – und schon sind mehr Entspannun­g und die natürliche Stimmlage da. Das hat Ihr Gedächtnis dann nämlich gespeicher­t.

Claudia Fischer ist Telefontra­inerin und Autorin des Buchs

Bei Anruf Umsatz. „Bringen Sie beim Telefonier­en Schokolade in Ihre Stimme“

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