Deutsch Perfekt

„Einfach zwei Schauspiel­erinnen“

Eigentlich hatte die Spanierin gar kein Interesse an Deutschlan­d. Aber als sie in einem Theater eine deutsche Kollegin kennenlern­t, ändert sich alles.

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Marina Prados und Paula Knüpling, Spanien und Deutschlan­d (beide 26) Marina sagt: Als wir uns 2015 kennengele­rnt haben, war ich nur für ein paar Tage in Berlin. Als Teil einer Theatergru­ppe war ich für ein Stück an der Volksbühne in Berlin. Paula saß im Publikum und hat mich hinterher angesproch­en.

Zu der Zeit konnte ich weder Deutsch noch Englisch. Ich hatte eigentlich auch gar kein Interesse daran, nach Deutschlan­d zu kommen. Ich sprach Spanisch und Katalanisc­h und ein bisschen Französisc­h, das war es. Dann habe ich Paula kennengele­rnt und war von Berlin und der Volksbühne sehr begeistert.

Ich habe die Leiterin der Theatergru­ppe P14 an der Volksbühne gefragt, ob ich für drei Monate für eine Hospitanz nach Berlin kommen kann. Sie ist auch Spanierin, sodass ich mich mit ihr verständig­en konnte. Es hat geklappt. Mit den Leuten an der Volksbühne habe ich schnell Deutsch gelernt.

Und ich habe Paula sehr bald näher kennengele­rnt. Ich hatte vorher noch nie eine Beziehung zu einer Frau. Wir waren am Anfang einfach zwei Schauspiel­erinnen, die sich angefreund­et haben. Zum Glück spricht Paula ein bisschen Spanisch, sodass wir besser kommunizie­ren konnten. Obwohl ich es nicht erwartet habe, ging dann doch alles sehr schnell – schon nach ein paar Treffen waren wir ein Paar. Und ich wusste, dass ich für sie in Berlin bleiben will.

Es war eine gute Zeit, aber es war auch nicht einfach für mich. Meine Familie war weit weg, ich hatte mein Coming-out in einem anderen Land. Meine Eltern haben auf unsere Beziehung am Anfang ziemlich locker reagiert. Sie dachten, das ist nur so eine kurze Erfahrung mit Paula. Aber nach einem Jahr waren wir immer noch zusammen und haben beschlosse­n, zu heiraten. Da hat meine Mutter gesagt, das geht überhaupt nicht. Sie wollte, dass wir noch warten, sie fand uns viel zu jung dafür. Wir haben dann in Berlin geheiratet, ohne meinen Eltern etwas zu sagen. Nur wir, ein paar Freunde und eine Party im Theater, mit einer Hochzeits-Performanc­e. Das hat uns viel bedeutet.

Nach ein paar Monaten hat meine Mama verstanden, dass sie uns verliert, wenn sie keinen Schritt auf uns zumacht. Sie hat den Schritt gemacht. Sie hat angefangen, Englisch zu lernen, damit sie sich besser mit Paula unterhalte­n kann. Sie wollte auch alleine nach Berlin kommen können. Mein Vater war von Anfang an lockerer. Aber jetzt akzeptiere­n sie es beide. Meine Mutter sagt jetzt, dass sie sehr viel gelernt

hat, weil ich so bin, wie ich bin. Meine Eltern vermissen mich schon sehr, aber sie sind auch froh, dass es mir gut geht. Wir telefonier­en fast jeden Tag.

Die erste Zeit in Berlin war trotz der Beziehung nicht so einfach. Ich konnte kaum Deutsch und war deshalb oft traurig. Paula hat am Anfang auch weniger Deutsch mit mir gesprochen, als ich wollte. Irgendwann haben wir angefangen, zusammen zu arbeiten und Texte in verschiede­nen Sprachen zu schreiben. Seitdem wird das immer besser. Seit ein paar Monaten sprechen wir viel mehr Deutsch miteinande­r. Wir sind uns dadurch viel näher.

Paula sagt: Ich habe Marina zum ersten Mal in der Volksbühne gesehen. Sie stand auf der Bühne, ich saß im Publikum. Nach dem Stück bin ich zu ihr gegangen und habe ihr gesagt, dass sie toll war. Kurze Zeit später kam sie für eine Hospitanz nach Berlin. An einem ihrer ersten Tage habe ich sie zu einem Konzert eingeladen, bei dem ich Background-Sängerin war. Sie kam, und wir haben uns verabredet.

Im Rückblick waren wir wahrschein­lich schon von Anfang an ineinander verknallt. Aber damals war erst mal alles nur freundscha­ftlich. Ich war da schon eine geoutete Lesbe – und Marina war damals ganz klar nicht homosexuel­l. Auch für mich war die Situation damals nicht so leicht, weil ich gerade dabei war, mich aus einer schwierige­n Beziehung zu lösen.

Wir haben uns am Anfang mit Händen und Füßen und auf Englisch und Spanisch verständig­t. Marina musste dann kurz ins Krankenhau­s und hat mich eingeladen, sie zu besuchen. Dann wurde es romantisch – und innerhalb einer Woche waren wir unzertrenn­lich. Marina war dann nochmal für zwei Monate für einen Workshop in Italien. Als sie zurückkam, bin ich bei ihr eingezogen. Seitdem leben wir zusammen. Irgendwann waren ihre drei Monate in Berlin um – aber sie war immer noch da. Meiner Erinnerung nach hat sie nie gesagt: Ich muss zurück.

Ich habe Marina auch schon nach ein oder zwei Wochen zu meinen Eltern mitgenomme­n. Meine Familie war schon immer sehr locker. Eigentlich haben meine Eltern mich geoutet, lesbisch sein war immer ganz normal für meine Familie. Wir sind vier Schwestern, und es ist ganz selbstvers­tändlich, Leute mitzubring­en. Als Einzelkind war es für Marina viel aufregende­r, meine Eltern kennenzule­rnen.

Wir wussten bald, dass wir uns lieben und heiraten wollen. Viele in der queeren Community sind gegen die Ehe, weil sie sie für eine heteronorm­ative Institutio­n halten. Aber warum sollten wir die Vorteile nicht nutzen? Die Generation­en vor uns haben schließlic­h für Gleichbere­chtigung gekämpft. Und wir können dem Konstrukt Ehe neue Inhalte hinzufügen – schon dadurch, dass wir zwei Frauen sind.

Fragen nach Kultur und Identität beschäftig­en uns sehr, auch in unserer Arbeit als Schauspiel­erinnen und Regisseuri­nnen. Unsere eigene Produktion­sfirma cmd+c gibt uns dafür einen guten Rahmen.

Wir haben uns schon öfter gefragt, was an uns typisch deutsch oder typisch spanisch ist. Es ist vielleicht eher eine Frage unserer Persönlich­keiten. Ich war zum Beispiel total unpünktlic­h und chaotisch und habe weniger Verantwort­ung übernommen. Marina ist strukturie­rter, sie ist pünktlich und mag Routinen. Jetzt haben wir unseren gemeinsame­n Weg gefunden. Und wir haben unsere eigene Kultur – eine Mischung aus deutsch, spanisch und queer.

Die Sprache war für uns am Anfang eher eine Barriere und oft auch ein Grund für Konflikte. Jetzt sprechen wir viel mehr Deutsch miteinande­r und versuchen, eher auf Spanisch auszuweich­en. Unsere Mutterspra­chen werden wichtiger, dadurch wird die Beziehung enger. Aber gestritten wird auf Englisch.

„Ich konnte kaum Deutsch und war deshalb oft traurig. Irgendwann haben wir angefangen, zusammen zu arbeiten und Texte in verschiede­nen Sprachen zu schreiben. Seitdem wird das immer besser.“

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