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Die braun-weißen Schilder

An deutschen Autobahnen stehen Hunderte von ihnen: Diese Schilder zeigen Sehenswürd­igkeiten in der Nähe und sollen Touristen zu ihnen bringen. Funktionie­rt das Prinzip?

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Die erste Fahrt auf einer deutschen Autobahn ist für viele Ausländeri­nnen und Ausländer etwas Besonderes. Denn diese Schnellstr­aßen sind auf der ganzen Welt bekannt: für ihre Qualität und für das schnelle Fahren ohne Tempolimit. Manche bemerken eine andere Besonderhe­it auf deutschen Autobahnen deshalb vielleicht nicht sofort: die braun-weißen Schilder. An vielen Stellen stehen sie an der Seite der Autobahn. Sie weisen auf Sehenswürd­igkeiten hin, die man in der Nähe besuchen kann. Ihr offizielle­r Name: „touristisc­he Unterricht­ungstafeln“.

Die erste Tafel steht seit 1983 an der A8 bei Stuttgart. Sie zeigt Burg Teck, eine fast 1000 Jahre alte Burg. Die Idee dafür kommt aus Frankreich. Dort hat es die touristisc­hen Tafeln schon früher gegeben. Die Schilder sind dann auch in Deutschlan­d populär geworden. Sie zeigen Sehenswürd­igkeiten, Monumente, schöne Städte, Naturparks, Freizeitpa­rks, spezielle Regionen oder auch historisch wichtige Orte.

Wer auf der A7 die 962 Kilometer vom Norden Deutschlan­ds bis in den Süden fährt, kann fast 140 Schilder sehen. Sie weisen zum Beispiel auf den Naturpark Schlei, die Lüneburger Heide, das

deutsche Panzermuse­um Munster, die Barockstad­t Fulda, das Fränkische Weinland, Schloss Karpfenbur­g und auf Füssen und sein historisch­es Stadtzentr­um hin. Von Süden nach Norden sind es auf der A7 ein paar Schilder weniger. Denn nicht alle Tafeln sind auf beiden Seiten der Autobahn zu sehen.

Wie viele dieser Schilder insgesamt an deutschen Autobahnen stehen, weiß niemand genau. Es gibt keine zentrale Institutio­n, die sich um sie kümmert. Der Tourismusf­orscher Sven Groß von der Hochschule Harz hat in einer im Herbst 2019 publiziert­en Untersuchu­ng mehr als 3400 Schilder gezählt.

Das Bundesland mit den meisten Unterricht­ungstafeln ist Bayern: Dort stehen mindestens 836 davon. In ganz Berlin steht nur eines dieser Schilder: Es erinnert an die „Deutsche

Teilung 1945 - 1990“.

Wer darf so eine Unterricht­ungstafel aufstellen? Und welche Attraktion­en dürfen darauf zu sehen sein? Typisch Deutschlan­d: Auch zu diesem Thema gibt es Normen.

Seit 1988 gibt es die „Richtlinie­n für touristisc­he Hinweise an Straßen“. Am Anfang war darin zum Beispiel definiert: Zwischen zwei Schildern müssen mindestens 20 Kilometer liegen.

Heute sind die Normen nicht mehr so streng. Zwischen zwei Autobahnau­sfahrten sollen jetzt nicht mehr als zwei braune Schilder stehen. Mindestabs­tand: 1000 Meter. Außerdem müssen zwischen einem touristisc­hen Schild und einem anderen Straßensch­ild mindestens 500 Meter liegen. Und von der nächsten Ausfahrt bis zu der auf dem Schild beschriebe­nen Attraktion dürfen es nicht mehr als zehn Kilometer sein.

Wer ein Schild aufstellen möchte, muss beim Straßenver­kehrsamt einen Antrag stellen. Meistens machen Kommunen das. Aber auch Verbände, Organisati­onen und manchmal auch kommerziel­le Anbieter können einen Antrag stellen. Damit das Amt den Antrag akzeptiert, muss die Sehenswürd­igkeit touristisc­h relevant genug sein. Passen muss außerdem das Bild auf dem Schild.

Die Antragsste­ller haben dabei ein klares Ziel: Sie hoffen, dass Autofahrer­innen das Schild sehen und dann die Sehenswürd­igkeit besuchen. Aber tun sie das auch wirklich?

Die Hochschule Harz hat auch diese Frage untersucht. Das Resultat: Ja, die Tafeln haben einen Effekt. In einer Umfrage der Forscher haben 96 Prozent von 1100 Befragten gesagt: Sie haben die braun-weißen Schilder schon einmal bemerkt.

Zwei von drei Befragten konnten sich auch daran erinnern, was auf den Schildern zu sehen war. Fast einer von sechs ist schon einmal spontan zu einer der Sehenswürd­igkeiten gefahren, weil er sie auf einer Tafel gesehen hat. Andere merken sich das Ziel und fahren später einmal dorthin. Oft führen die braun-weißen Schilder im Auto auch zu Diskussion­en über die Sehenswürd­igkeiten: Lohnt sich ein Besuch oder nicht?

Die Untersuchu­ng hat außerdem gezeigt, dass die meisten Deutschen kein Problem haben mit den Tafeln. 50 Prozent wollen, dass die Zahl der Schilder gleich bleibt. 40 Prozent finden: Es können auch noch mehr werden. Nur 9 Prozent der Befragten wollen die Zahl der Schilder reduzieren.

Aber können die Schilder nicht auch Autofahrer ablenken, sodass mehr Unfälle passieren? Experten glauben das nicht. So schreibt der Verkehrskl­ub ADAC: „Der ADAC sieht darin keine Gefahr, sofern es nicht zu viele Tafeln in zu kurzen Abständen sind. Weil die Schilder eine braune Grundfarbe haben, kann sie jeder Autofahrer sofort von den anderen Verkehrsze­ichen unterschei­den.“

Bei insgesamt 12 993 Kilometern Autobahn und bis jetzt 3400 Schildern bleibt noch ein bisschen Platz für noch mehr Schilder. Und eines zeigen die ganz sicher: Die Zahl der touristisc­hen Ziele in Deutschlan­d ist groß. Guillaume Horst

In Bayern stehen 836 von diesen Schildern – anders in Berlin: Dort steht nur eines.

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