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Lachen ist für Carmen Goglin etwas ganz Natürliche­s. Warum aber kommen dann Leute in ihre Lachschule, um genau das zu lernen? Haben die Deutschen keinen Humor?

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Guten Morgen, Frau Goglin! Es ist kurz vor elf Uhr morgens. Haben Sie heute schon gelacht?

(lacht) Sicher habe ich schon gelacht, das ist eines meiner täglichen Rituale. Ich lache zum Beispiel oft unter der Dusche.

Und was bringt Sie dabei zum Lachen?

Ich brauche keinen Grund. Lachen ist ein natürliche­r Reflex, man muss sich nur dafür entscheide­n. Zum Beispiel indem ich mir sage: Ich will jetzt lachen. Und dann fange ich einfach an. Wenn ich lache, tue ich mir etwas Gutes: Der Körper bekommt mehr Sauerstoff, die Organe werden massiert, der Körper schüttet Endorphine aus. Dabei ist es gar nicht wichtig, ob man aus einem bestimmten Grund lacht oder einfach so. Der Körper kann das nämlich nicht unterschei­den. Lachen wird so zu einer wichtigen Ressource.

Aber manchmal hat man doch einfach sehr schlechte Laune …

Sicher gibt es Phasen, in denen man sich erst einmal ärgert und sich schlecht fühlt. Das kenne ich auch. Wir können uns aber dafür entscheide­n, den Ärger bleiben zu lassen – je schneller, desto besser.

Wie übt man das, ohne Grund zu lachen?

Eine meiner Lieblingsü­bungen ist das Sich-ins-Fäustchen-Lachen. Sie nehmen die Hand vor den Mund und fangen an, in Ihre Faust hineinzula­chen. Das funktionie­rt am Anfang ganz mechanisch, wie beim Muskeltrai­ning. Dabei entwickelt sich das Lachen – und wenn man das in einer Gruppe macht, stecken sich irgendwann alle gegenseiti­g an. Danach kann man die Hand mit dem Lachen darin in die Hosentasch­e stecken und sich später wieder daran erinnern.

Wer kommt denn so in Ihre Lachschule?

Vor der Pandemie kamen vor allem Frauen im mittleren Alter. Bei vielen waren gerade die Kinder aus dem Haus, und die Frauen merkten, dass ihnen etwas fehlt. Zu den Onlinetrai­nings, die ich wegen der Pandemie seit ein paar Monaten anbiete, melden sich ganz verschiede­ne Menschen an. Das sind auch viele junge Leute. Das finde ich super. Oft werde ich auch von Firmen eingeladen, die sich in einer schwierige­n Phase befinden.

Seit einiger Zeit veröffentl­ichen Sie im Internet auch kurze Lachvideos mit Übungen. Dafür bekommen Sie sehr kontrovers­e Reaktionen. Lachen scheint in Deutschlan­d eine ziemlich ernste Sache zu sein.

(lacht) Die Videos polarisier­en eben, weil es viele Menschen verstört. Es ist noch nicht so bekannt, wie gut das tun kann. Gerade gibt es so viel Frust in der Gesellscha­ft, viele Menschen fühlen sich am Limit. Meine Lachvideos sind ein Angebot, sich etwas Gutes zu tun. Aber viele verstehen das noch nicht.

Was wünschen Sie sich für die Gesellscha­ft?

Ich wünsche mir, dass es etwas Normales wird, grundlos zu lachen. Kinder lachen ungefähr 400 Mal am Tag ohne Grund – und je älter sie werden, umso mehr wird es ihnen abgewöhnt. Wenn sie in den Kindergart­en oder die Grundschul­e kommen, sagt man ihnen: Jetzt beginnt der Ernst des Lebens. Oft werden Kinder ermahnt, nicht zu laut zu lachen. Und grundsätzl­ich gilt: erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Unsere Sprache ist voller Botschafte­n, die uns das Lachen abtrainier­en. Interview: Barbara Kerbel

 ??  ?? Carmen Goglin (55) ist Personalka­uffrau 0und Coachin. Während einer depressive­n Phase probierte sie Lachyoga aus – und war so begeistert, dass sie gleich eine Ausbildung dafür machte. 2013 startete sie in Reutlingen bei Stuttgart ihre Lachschule.
Carmen Goglin (55) ist Personalka­uffrau 0und Coachin. Während einer depressive­n Phase probierte sie Lachyoga aus – und war so begeistert, dass sie gleich eine Ausbildung dafür machte. 2013 startete sie in Reutlingen bei Stuttgart ihre Lachschule.

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