„Der ist unser Che!“
In den 80er-Jahren gab es in der Schweiz große Jugendproteste. In dieser Zeit spielt Oliver Rihs‘ philosophisches Freiheitsdrama.
Weil sie an einer illegalen Protestaktion teilgenommen hat, steht Heike Vollmer (Jella Haase) vor Gericht. Die Anwältin Barbara Hug (Marie Leuenberger) verteidigt die junge Linksautonome in dem Film Bis wir tot sind oder frei. Der Staatsanwalt will, dass Vollmer in ein Erziehungsheim kommt. Hug sagt dazu: „So machen Sie die ganze Schweiz zum Gefängnis.“Ein Satz, mit dem sie groß in die Zeitung kommt. Noch etwas passiert: Der Kriminelle Walter Stürm (Joel Basman) entdeckt sie. Die Frau, die das Schweizer Justizsystem revolutionieren will, soll seine Anwältin werden. Hug sieht die Chance, aus Stürm eine Symbolfigur für die linke Bewegung zu machen.
Das Drama des Schweizer Regisseurs Oliver Rihs, das am 31. März ins Kino kommt, erzählt über eine wahre Geschichte. Sowohl Barbara Hug als auch Walter Stürm gab es wirklich. Sie, die seit ihrer Kindheit wegen eines Tumors schlecht gehen konnte, war Mitglied eines Züricher Kollektivs aus Anwälten. Dieses wurde Mitte der 70erJahre gestartet und durch die Verteidigung von Mitgliedern der Roten Armee Fraktion (RAF) bekannt. Denn auch in der Schweiz war die linksextremistische deutsche TerrorGruppe aktiv. So beschäftigte sich auch die Schweizer Justiz damit. Auch viele Linksautonome, die Teil der Schweizer Jugendprotestbewegung der 80erJahre waren, bekamen durch das Anwaltskollektiv juristische Hilfe.
Startpunkt der Proteste war die konservative Kulturpolitik der Stadt Zürich. Sie wollte viel Geld für die Sanierung des Opernhauses ausgeben, nicht aber für Alternativkultur. Im Mai 1980 kam es deshalb zu den sogenannten Opernhauskrawallen mit Sachschäden in Millionenhöhe und mehreren Hundert verletzten, sowohl auf der Seite des Protests als auch bei den Polizisten. Das war der Beginn
der alternativen Jugendbewegung in der Schweiz. Immer wieder kam es zu Chaos.
In Walter Stürm sah Hug eine Identifikationsfigur für die Linken. Vom Sohn eines Magnaten zum Berufsverbrecher: Für manche war er so etwas wie ein Robin Hood. Bekannt wurde Stürm als Ausbrecherkönig, der immer wieder aus dem Gefängnis entkam.
„Der Mann ist unser Che!“, sagt Hug im Film. In Wirklichkeit aber war Stürm unpolitisch. Er hatte eine ganz eigene Idee von Freiheit. „Hug kämpft für die Freiheit aller, während sich Stürm rücksichtslos seine eigene Freiheit nimmt“, sagt Rihs über die Hauptfiguren seines Films, der Liebe und Rebellion zum Thema macht, aber auch ein philosophisches Drama über die Freiheit ist.