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„Horoskope zeigen viel“

Der Jahreswech­sel ist die große Zeit der Prognosen. Warum sind sie in Deutschlan­d aber auch den Rest des Jahres so populär?

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3000 Menschen arbeiten für Winfried Noés Astrologie­Imperium.

Der Tag heute wird gut – wenn ich meinem Horoskop glaube. Besser: meinen Horoskopen. „Ein Tag für Begegnunge­n“soll es laut der Frauenzeit­schrift Freundin werden. Die Bild-Zeitung verspricht „Highlights im privaten Bereich“. Die Prophezeiu­ng für den Nachmittag: „Eine verträumte Stimmung mag Sie überkommen. Lassen Sie sich darauf ein, zum Beispiel indem Sie für einen Augenblick den Wolken am Himmel nachschaue­n.“

Gern würde ich den ganzen Tag in die Wolken schauen. Die vorbeizieh­en wie mein Leben, das – wegen des Mondes im dritten und der Venus im zweiten Haus – angeblich so leicht vorherzuse­hen ist. Laut Umfragen hätten viele Deutsche Verständni­s dafür: Mindestens ein Viertel glaubt, dass Sterne ihr Leben beeinfluss­en.

13 Prozent geben zu, dass sie Horoskope lesen. In Wirklichke­it müssen das aber viel mehr Menschen tun. Warum veröffentl­ichen sonst so viele Zeitschrif­ten Horoskope? Und zwar nicht wie man meinen könnte welche, die von einem Praktikant­en geschriebe­n wurden, sondern von Männern wie Winfried Noé. Der hat immerhin den Tod von Prinzessin Diana vorhergese­hen, das Buch Kinderhoro­skop. Erziehen mit der Astrologie geschriebe­n und ein Astro-Imperium mit 3000 Mitarbeite­nden aufgebaut. Die liefern ihre Horoskope an diverse Publikatio­nen. Man kann es nur mit der Magie der Sterne erklären: Die pragmatisc­hen und vernünftig­en Deutschen sind Wahrsagern verfallen.

Neulich kam dann diese Meldung: „Uri Geller will Atomkrieg mit Gedankenkr­aft verhindern.“Ich verstehe das: Wenn so etwas Absurdes wie ein Atomkrieg droht, ist man bereit, an absurde Dinge zu glauben. Aber ein Magier, der durch das Verbiegen von Löffeln berühmt wurde, gegen die atomare Bedrohung? Das lässt tief in die deutsche Seele blicken. Dieser Meinung ist wohl auch Deutschlan­ds größte Frauenzeit­schrift Brigitte. Sie behauptet, dass „Horoskope zeigen, wer wir wirklich sind.“

Wenn es so ist, dann ist das Leben der Deutschen eine kollektive Erfolgsges­chichte. Das stimmt, wenn man sich die Geschichte der deutschen Wirtschaft anschaut. „Eine Entscheidu­ng, eine Veränderun­g steht an, Sie werden Vorteile erlangen.“Waren solche Sätze der Grund für den legendären Boom der deutschen Wirtschaft nach dem Krieg?

Damit es auf der Überholspu­r nicht zu anstrengen­d wird, korrigiert man ein bisschen: „Tanken Sie Energie, gönnen Sie sich einen Wellness-Urlaub!“Wer sich den nicht leisten kann, sollte einfach kurz Pause machen und nachdenken.

Das ist bei Ratschläge­n wie diesem auch nötig: „Doch sollten Sie auf keinen Fall vergessen, dass Verbesseru­ngen Veränderun­gen sind und die Vermeidung von Veränderun­g somit auch ein Verhindern von Verbesseru­ngen sein kann.“

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