Viel Freude mit diesem Sonderheft wünscht Ihnen Ihr
Arbeitslos zu sein – das war in meiner Kindheit ein Massenphänomen. Eine von zehn Personen, die arbeiten wollten, bekam keinen Job. So war es in den 80er-Jahren, so war es in den 90er-Jahren, so war es Anfang der 00er-Jahre. Aber vor 20 Jahren kam der Sozialdemokrat Gerhard Schröder an die Regierung und beendete mit umstrittenen Arbeitsmarktreformen die Massenarbeitslosigkeit. Egal, wie man die Reformen heute sieht, sicher ist: Seitdem sind immer weniger Menschen ohne Job.
Mehr als das: Wer heute in Deutschland einen Arbeitsplatz sucht, hat wahrscheinlich so gute Chancen wie noch nie. In Kindergärten und bei der Bahn, im Krankenhaus und im Bistro: Überall fehlen Arbeitskräfte. Schon seit ein paar Jahren haben viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Probleme, Fachkräfte wie Programmiererinnen oder Bauingenieure zu finden. Inzwischen ist das Problem in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Auch im Alltag sind die Lücken nicht zu übersehen – wenn Friseurinnen Termine absagen, Waren nicht ankommen oder Sicherheitskontrollen am Flughafen viel länger dauern als früher.
Die ganz große Krise aus Sicht der Arbeitgeber ist aber noch gar nicht da: Zwischen 2025 und 2035 gehen 13,5 Millionen Menschen in Rente. Zu wenige junge Arbeitnehmerinnen kommen nach. Und sehr viele von ihnen wollen auch noch weniger arbeiten als die Generationen vor ihnen. Das macht die Sache nicht besser.
Was für die einen eine Krise ist, ist für die anderen eine Chance. Zum Beispiel für Rania Hadji. Was der größte Unterschied zwischen der Arbeitskultur in ihrem Heimatland und Deutschland ist, wollte unsere Reporterin Felicitas Wilke von der Afghanin wissen. Die Antwort der 39-Jährigen zeigt, in welchem Luxus die meisten von uns leben: „Ganz einfach: Hier kann ich als Frau arbeiten.“Der Satz hat mich beeindruckt. Wie das Arbeitsleben in Deutschland sonst für Hadji und für drei weitere Menschen aus anderen Kulturen ist, lesen Sie ab Seite 20.
Jörg Walser Chefredakteur