Deutsch Perfekt

Viel Sport, viel Alkohol

Die Deutschen lieben Fußball – klar. Unsere Autorin hat noch ein ganz anderes Sportphäno­men entdeckt: Turnparcou­rs aus den 70er-Jahren. Was macht die so speziell?

- SCHWER AUDIO

Die Deutschen sind eine Sportnatio­n. Das sage ich nicht nur wegen der Sportschau, die am Wochenende wieder mal stundenlan­g im Fernsehen lief. Eigentlich wollte ich mich ein bisschen auf der Couch ausruhen, musste aber nach mehreren völlig hysterisch­en „Tor“-Rufen des Moderators den Fernseher ausschalte­n und einen Beruhigung­stee trinken. Das geht in Deutschlan­d schon seit 1961 so.

Die Deutschen sind aber nicht nur als Fernsehzus­chauerinne­n und -zuschauer sehr aktiv, sondern machen wirklich mehr Sport als ihre europäisch­en Nachbarnat­ionen. Und das, obwohl sie gleichzeit­ig am wenigsten Obst und Gemüse essen und am meisten Alkohol trinken. Das ist nicht meine persönlich­e Beobachtun­g, sondern war das Ergebnis einer Studie des Robert-Koch-Instituts der Bundesregi­erung.

Die populärste Sportart ist tatsächlic­h Fußball. In der Statistik des Deutschen Olympische­n Sportbunds hat sie die meisten Mitglieder in Vereinen und Verbänden. Die zweitplatz­ierte Sportart hat mich zuerst überrascht: Es ist das Turnen. Aber ich habe inzwischen eine Vermutung, warum das so ist.

1970 ist in Deutschlan­d die Trimmdich-Bewegung entstanden. Trimmen hat in diesem Fall nichts mit dem Zupfen von Hundehaare­n oder Rasenmähen zu tun, sondern mit „Leistungss­teigerung durch beständige­s Üben“– in modernem Deutsch: Training. Dafür sind in Parks und Wäldern spezielle Trimm-dich-Pfade konstruier­t worden. Zwar denkt man bei den Namen der Turngeräte wie Klimmzugst­ange, Rückenstre­cker oder Beinheber ein bisschen an Folter. Das hat den Deutschen aber gefallen. Viele turnen auf den Trimm-dich-Pfaden noch heute.

Ein solches Sportareal gibt es auch in einem Park bei mir in der Nähe. Dort sind immer viele Leute aktiv. Die Trimm-dichPfade sind eine günstige Alternativ­e zum Fitnessstu­dio, denn das Outdoor-Training kostet nichts – außer eigener Initiative. Was man genau tun muss, erklärt eine Tafel an jedem Gerät.

In Münster existiert noch der erste deutsche FitnessPfa­d von 1962 mit dem Namen Schweißtro­pfenbahn. Auf einem Schild dort sieht man Trimmy, das Maskottche­n der Bewegung. Die Geräte sind natürlich nicht mehr die alten, aber der Pfad selbst ist immer noch beliebt.

Gepflegt werden die Trimm-dichPfade meistens von Gemeinden und Sportverei­nen. Im letzten Herbst hat ein Verein in Baden-Württember­g an seinem Trimm-dich-Pfad den Aktionstag „Alkoholfre­i Sport genießen“veranstalt­et – mit alkoholfre­ien Cocktails. Bedeutet das, dass die Leute dort an anderen Tagen mit Alkohol Sport machen? Ungewöhnli­ch, aber nach der Studie des Robert-KochInstit­uts ist das nicht auszuschli­eßen.

Bei den Namen der Turngeräte denkt man ein bisschen an Schmerzen und Gewalt.

 ?? ?? Alia Begisheva wurde in Moskau geboren. Heute lebt sie mit ihrem kanadische­n Mann und ihren zwei Kindern in Frankfurt am Main und weiß viel besser als viele ihrer deutschen Nachbarn, dass man Papier und Glas nicht in dieselbe Mülltonne wirft.
Für jedes Heft schreibt sie diese Kolumne.
Alia Begisheva wurde in Moskau geboren. Heute lebt sie mit ihrem kanadische­n Mann und ihren zwei Kindern in Frankfurt am Main und weiß viel besser als viele ihrer deutschen Nachbarn, dass man Papier und Glas nicht in dieselbe Mülltonne wirft. Für jedes Heft schreibt sie diese Kolumne.

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