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„Ein anderer Mensch“

Ein schrecklic­her Unfall konfrontie­rte Gela Allmann vor zehn Jahren mit dem Tod. Wie findet man neue Kraft, wenn der Körper fast komplett kaputt ist?

- MITTEL Interview: Eva Pfeiffer

Frau Allmann, ein Unfall in Island hat vor ziemlich genau zehn Jahren Ihr Leben komplett geändert. Was ist damals passiert?

Als Sportmodel bei einem Fotoshooti­ng für Skitouren bin ich an einem Berg abgestürzt und 800 Meter in die Tiefe gefallen. Dabei schlug mein Körper immer wieder gegen den Felsen. Ich war mir während des Fallens sicher, dass ich sterben werde.

Sie waren bei Bewusstsei­n?

Ja, ich war mental sehr klar und verstand, was passierte. Ich dachte daran, dass ich keinen Helm trage und dass bestimmt auch bald mein Kopf gegen den Felsen schlägt. Ich wusste: Gleich ist es vorbei. Aber das war es nicht. Unten lag ich noch mehrere Stunden bei Bewusstsei­n im Schnee. Die Todesangst war lange ein schweres Trauma für mich, an dem ich mit einem Therapeute­n gearbeitet habe.

Wie ging es weiter?

Im Krankenhau­s habe ich vor allem eines gefühlt: Dankbarkei­t. Das hat mir Kraft gegeben. Ich war dankbar dafür, noch zu leben. Dafür, dass ich nicht gelähmt war. Und dass ich mein rechtes Bein behalten konnte – das war lange nicht klar. Ganz viele meiner Knochen waren gebrochen, Bänder und Muskeln kaputt. Ich lag nach dem Unfall sechs Monate lang in Kliniken, danach war ich lange in der Reha.

Wie geht es Ihnen inzwischen?

Es geht mir wirklich gut. Natürlich habe ich körperlich noch mit dem Unfall zu kämpfen. Ich gehe regelmäßig zum Physiother­apeuten und muss mir Hyaluron ins Knie spritzen lassen. Im rechten Bein habe ich kein Band mehr. Bald werde ich 40. In dem Alter müssen alle mehr auf sich achten. Bei mir hat das einfach etwas früher angefangen. Trotzdem kann ich viele Dinge tun, die mir Spaß machen und mir wichtig sind. Manche Sportarten sind heute nicht mehr möglich, aber ich habe viele andere neu entdeckt.

Welchen Sport machen Sie heute?

Ich bin immer noch eine extreme Sportlerin. Zum Beispiel mache ich viel Bergsport und nehme an Skitourenr­ennen teil. Ich teste gern meine körperlich­en und mentalen Grenzen aus. Wenn etwas nicht klappt, dann ist das nicht schlimm. Wichtig ist aber, es zu versuchen.

Sie klingen ziemlich positiv. Haben Sie auch schwierige Momente?

Vor allem in den Monaten nach dem Unfall hatte ich Momente, in denen ich keine Energie mehr hatte. Aber ich habe mich nie gefragt: Warum ich? Jede und jeder wird durch einen Schicksals­schlag ein anderer Mensch. Wenn man das akzeptiert, dann wächst man daran. Der Unfall hat mich früh mit dem Tod konfrontie­rt. Danach habe ich Dinge radikal anders gemacht. Zum Beispiel habe ich mich von meinem Partner getrennt, eine neue Liebe gefunden, bin von der Stadt aufs Land gezogen. Ich ändere eine Situation heute schneller, wenn ich unzufriede­n bin.

Von Ihren Erfahrunge­n erzählen Sie in Ihren Büchern und als Coachin.

Mit meiner Geschichte will ich anderen Menschen Mut machen. Ich will ihnen sagen: Alles, was wir brauchen, tragen wir in uns. Wir sind viel stärker, als wir denken. Bald biete ich dazu einen Onlinekurs an. Und noch etwas ist mir wichtig: Ich bin Botschafte­rin für den Blutspende­dienst. Ohne Blutspende würde ich heute nicht mehr leben.

In Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz (D-A-CH) leben rund 100 Millionen Menschen. An dieser Stelle interviewe­n wir jedes Mal einen von ihnen.

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In Island fiel die Sportwisse­nschaftler­in 2014 von einem Berg 800 Meter in die Tiefe – und kämpfte sich zurück ins Leben. Heute will Allmann (39) andere mit ihren Erfahrunge­n inspiriere­n. Sie lebt im bayerische­n Fischbacha­u.
Gela Allmann In Island fiel die Sportwisse­nschaftler­in 2014 von einem Berg 800 Meter in die Tiefe – und kämpfte sich zurück ins Leben. Heute will Allmann (39) andere mit ihren Erfahrunge­n inspiriere­n. Sie lebt im bayerische­n Fischbacha­u.

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