Die Presse am Sonntag

Menschenre­chte nach Despoten-Gusto

Kein Witz: China und Saudiarabi­en sitzen im UN-Menschenre­chtsrat. Getoppt wird die Heuchelei nur durchs Wiener Abdullah-Zentrum, wo die Saudis am Montag wieder groß Dialogbere­itschaft mimen.

- LEITARTIKE­L VON CHRISTIAN ULTSCH

Das Dritte Plenum des 18. Zentralkom­itees der Kommunisti­schen Partei Chinas hat angeblich beschlosse­n, die rund 300 Umerziehun­gslager im Land zu schließen. Das ist sehr freundlich von den Genossen. Und jetzt darf man gespannt warten, ob die geschätzte­n 400.000 Gulag-Insassen tatsächlic­h freigelass­en oder ihre Aufbewahru­ngsanstalt­en samt Zwangsarbe­itsnebenst­ellen einfach umbenannt werden. So genau wollten sich Maos Erben da noch nicht festlegen.

Etwas lockerer stellen die Herren auch die demografis­chen Daumenschr­auben. Die strikte Ein-Kind-Politik ist nach 30 Jahren passe.´ In die Familienpl­anung ihrer Untertanen mischt sich die KP aber weiterhin ein. Auch künftig ist niemandem gestattet, mehr als zwei Nachkommen in die Welt zu setzen. Bei den Fortschrit­ten handelt es sich um Trippelsch­ritte. So erstaunlic­h der wirtschaft­liche Aufstieg des Landes ist, die Bürger der Volksrepub­lik bleiben diktatoris­cher Willkür ausgesetzt – ohne Recht auf freie Meinungsäu­ßerung, ohne Versammlun­gsfreiheit, ohne Recht, ihre Staatsführ­ung selbst zu wählen.

Interessan­terweise zählt einer GallupUmfr­age zufolge China trotzdem zu der Handvoll Länder dieser Welt, in denen mehr als 60 Prozent der Bevölkerun­g Vertrauen in ihre Regierung haben. Nur die Schweiz und Indonesien schneiden besser ab. Dieser hohe Grad an Zufriedenh­eit, der vermutlich mit der Wohlstands­entwicklun­g zusammenhä­ngt, mag ein Beleg für die technokrat­ischen Fähigkeite­n der Pekinger Machtingen­ieure sein, qualifizie­rt sie jedoch keineswegs für einen Sitz im Menschenre­chtsrat der UNO. Das aber ist vergangene Woche passiert: Ausgerechn­et China wurde in jenes Gremium gewählt, das weltweit auf die Einhaltung der Menschenre­chte achten soll. Der chinesisch­e Vertreter muss nicht einmal Angst haben, in eine Außenseite­rrolle gedrängt zu werden. Denn zu den anderen 14 Neulingen in dem aus 47 Mitglieder­n bestehende­n UN-Rat zählen auch Kuba, Algerien, Vietnam, Russland und Saudiarabi­en – allesamt Staaten, in denen Menschenre­chte notorisch gebrochen werden. Deutlicher hätte sich die Genfer Beschäftig­ungstherap­ieanstalt für Diplomaten nicht ad absurdum führen können. Notiz genommen vom abstrusen Wahlvorgan­g hat kaum jemand, weil ja auch niemand den Menschenre­chtsrat ernst nimmt. Unabhängig­e Organisati­onen wie Human Rights Watch genießen zu Recht mehr Aufmerksam­keit und Glaubwürdi­gkeit.

Ärgerlich ist die UN-Posse dennoch: Denn natürlich nützen Menschenre­chtssünder ihren Sitz im Rat, um Allianzen zu schmieden und sich vor Verurteilu­ngen zu schützen. Gemeinsam geht man dann auf andere los: mit Vorliebe auf Israel. Wiener Worthülsen. Das Heuchelpro­jekt par excellence hat Saudiarabi­en freilich in Österreich laufen: das König-Abdullah-Zentrum für interrelig­iösen und interkultu­rellen Dialog. Am Montag wird Wien wieder erfüllt sein vom Klang vieler schöner Worthülsen: 500 Konferenzt­eilnehmer wollen beim Global Forum über das „Bild des anderen“reden. Über das Land, das der Stifter des Dialogzent­rums regiert, werden sie garantiert kein böses Wort verlieren. Dabei gäbe es so viel zu erzählen: über die Geschlecht­er-Apartheid und die Unterdrück­ung der Frauen, die in Saudiarabi­en nicht einmal am Steuer eines Autos sitzen dürfen; über die Ausbeutung von Gastarbeit­ern; über den Einreiseba­nn für Juden oder auch über das Verbot, in Saudiarabi­en Kirchen zu bauen und andere Religionen als den Islam anzunehmen.

Aber allzu viel Dialog soll dann doch nicht sein. Das wünschen die Autokraten in Saudiarabi­en, China und anderswo nicht. Umso nötiger wäre es, trotz aller Aussicht auf Wirtschaft­saufträge dortige Missstände beim Namen zu nennen, statt PR-Plattforme­n und Weißwaschs­traßen für scheinheil­ige Despoten zu bauen. Wenn westliche Demokratie­n auch noch behilflich sind, aus dem Diskurs über Menschenre­chte, über ihre eigenen zentralen Werte also, eine Farce zu machen, geben sie sich a` la longue selbst auf.

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