Die Vereinten Menschenfeinde
In den UN-Menschenrechtsrat wurden diese Woche 14 neue Mitglieder gewählt, darunter China und Kuba. Bei der Mehrheit der Zugänge lässt die Achtung der Menschenrechte zu wünschen übrig.
Der saudiarabische Botschafter bei der Genfer UN-Vertretung war voll des Lobes für sein Land: Die Wahl Saudiarabiens in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen bezeichnete er am Dienstag als Bestätigung Saudiarabiens „Pionierrolle im Rat und in Diensten von Menschenrechtsthemen“. Botschafter Abdullah bin Yahya Al-Ma’amai hat eine eigenwillige Definition vom Begriff Pionierrolle.
In Mekka, 6000 Kilometer weiter südöstlich vom Sitz des Menschenrechtsrates in Genf, verhafteten saudiarabische Behörden einen Tag später 20.000 ausländische Gastarbeiter. Unlängst wurden Frauen, die gegen das Autofahrverbot für weibliche Chauffeure öffentlich protestiert hatten, festgenommen. Mehrere Menschen, die für Säkularismus und Menschenrechte eintreten, schmoren im Gefängnis. Religionsfreiheit gibt es in dem streng islamischen Land nicht, schiitische Aktivisten werden verfolgt. Die NGO „Freedom House“schätzt das Land wegen seiner schwerwiegenden Menschenrechtsverstöße als „unfrei“ein.
Doch in Genf darf Saudiarabien nunmehr als eines von 47 Mitgliedern seine Pionierrolle für drei Jahre erfüllen. Und ein Blick auf die anderen Nominierungen verrät, dass das Land in bester Gesellschaft ist.
Denn mit Algerien, China, Kuba, Russland, Vietnam und dem saudischen Königreich fand man Neumitglieder, die die Genfer Nichtregierungsorganisation UN Watch allesamt für „nicht qualifiziert“hält. UN Watch hat sich dem Monitoring der Vereinten Nationen verschrieben – und stellt von den 14 Neuzugängen nur vier ein gutes Zeugnis aus: Frankreich, Mazedonien, Mexiko und Großbritannien. Für „frag-
Knapp die Hälfte der Staaten erfüllen demokratische Mindeststandards nicht.
würdig“hält man sechs weitere Teilnehmer: die Malediven, Marokko, Namibia, Südafrika.
Die NGO schätzt, dass knapp die Hälfte der derzeitigen Mitglieder die Minimalstandards einer freien Demokratie nicht erfüllen. Anders gesagt: Würden nur Staaten mit guter Menschenrechtsbilanz einen Sitz bekommen, bliebe das Gremium halb leer. Reformiertes Organ. Eigentlich soll das 2006 aus der umstrittenen Menschenrechtskommission hervorgegangene Gremium Menschenrechte schützen. Die Mitglieder der Vereinten Nationen müssen sich regelmäßigen Tests unterziehen – der sogenannten Staatenprüfung. Kommissionen behandeln Spezialthemen wie etwa die Menschenrechtslage in Syrien oder Folter in Nordkorea. Sonderberichterstatter legen dem Rat die Ergebnisse ihres Fact Finding zu Menschenrechtsverletzugen wie Folter, Gewalt gegen Frauen oder Rassismus dar.
Doch was, wenn Staaten über Menschenrechtsverletzungen urteilen, die selbst die UN-Charta mehrfach brechen? „Man schluckt als Menschenrechtler, wenn man sieht, welche Staaten in dieses zentrale Kontrollgremium gewählt werden“, sagt Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International in Österreich. „Aber es ist eine Wahl – und diese Länder haben die Mehrheit bekommen.“Hillel Neuer, Chefin von UN Watch, meint, dass problematische Länder am Konferenztisch „sich und andere Tyrannen besser vor Kritik schützen können“.
Die demokratische Qualität dieser Wahl ist freilich umstritten: Sie reduziert sich auf ein Abnicken. Die eigentliche Entscheidung findet hinter verschlossenen Türen statt, ist intransparent und folgt nicht vorrangig Qualitätskriterien. Die Sitze im UN-Gremium sind nach Ländergruppen ge- staffelt. Kampfabstimmungen in den Regionalgruppen sind nicht üblich. So gab es bei dieser Wahl weder bei den Osteuropäern noch bei den Westeuropäern Alternativkandidaten: Man spricht sich lieber ab, schließlich will jeder mal drankommen. Auch von westlicher Seite waren keine kritischen Worte über problematische Kandidaten zu vernehmen. Bei der Abstimmung am Dienstag erhielten China und Russland 176 Stimmen – was bedeutet, dass mindestens elf EU-Staaten für diese Länder gestimmt hatten.