Die Presse am Sonntag

Die Wiener SPÖ sucht sich selbst

Schwächen in der Mobilisier­ung, Probleme bei wichtigen Zielgruppe­n. Jetzt sucht die Bürgermeis­terpartei im kleinen Dorf Wildalpen nach Lösungen.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER UND GERHARD BITZAN

Im Schatten der mühsamen Koalitions­verhandlun­gen auf Bundeseben­e gibt es nahezu unbemerkt von der Öffentlich­keit Bewegung in der Wiener SPÖ. Die Führungsri­ege, etwa 40 Personen, wird sich in rund zwei Wochen unter der Führung von Michael Häupl in das idyllische Dorf Wildalpen zurückzieh­en. Dort, in absoluter Ruhe, werden zwei Tage lang Themen erörtert, welche den Kern und die Zukunft der Partei betreffen.

Offiziell heißt es, dass keine wichtigen Entscheidu­ngen getroffen werden. Inoffiziel­l geht es um die Wien-Wahl 2015, die Identität der Partei und die Probleme, die nicht zuletzt die Nationalra­tswahl aufgezeigt hat. Anders formuliert: Analyse des (für die SPÖ) nicht besonders erfreulich­en Wahlergebn­isses, Reformen für eine bessere Performanc­e, Schärfung des eigenen Profils. Und ja, am Rande gehe es auch um Personen, die diese neue Linie später symbolisie­ren können, ist aus SPKreisen zu hören.

Das Hauptthema: Die Wiener SPÖ hat Probleme, ihre Wähler zu mobilisier­en. Häupl hat diesen Umstand bereits kurz nach der Nationalra­tswahl angesproch­en: Man müsse sich die eigene Mobilisier­ung ansehen. Vorbereitu­ng für 2015. Wobei das Nichtwähle­r-Problem für die SPÖ keine Überraschu­ng sein dürfte. Auch nach der Wien-Wahl 2010, nach dem Verlust der absoluten (Mandats-)Mehrheit, war die Abwanderun­g von SP-Wählern in das Nichtwähle­r-Lager fast ein größeres Thema als die Konkurrenz der FPÖ. Basisfunkt­ionäre klagen seit Langem, dass sie bei Hausbesuch­en in den Gemeindeba­uten oft hören: „Ich bin einer von euch, aber ich habe euch diesmal nicht gewählt, ich bin lieber zu Hause geblieben.“Das ist zwar schon vor einiger Zeit zur Parteispit­ze durchgedru­ngen, nun soll aber gehandelt werden. „Sonst haben wir 2015 ein echtes Problem“, meint ein Genosse. „Wir müssen diese Menschen wieder erreichen, ihnen ein Angebot machen und endlich klar zeigen, wofür wir überhaupt stehen.“

In diesem Zusammenha­ng gibt es ein weiteres Problem für die Wiener SPÖ, das ebenfalls thematisie­rt werden soll. Junge, wenig gebildete Männer aus dem Arbeiterbe­reich, beispielsw­eise Lehrlinge, wählen lieber die FPÖ. Häupl hat diesen Umstand bereits in der Vergangenh­eit angesproch­en. Hier müsse etwas geschehen, hat der SPChef damals gefordert. Passiert ist seither wenig – auch, weil die Partei noch kein Gegenrezep­t gefunden hat. Deshalb soll auch dieses Thema (in Hinblick auf 2015) intensiv angegangen werden. Man will Strategien dazu entwickeln. Anders formuliert: Die Wiener SPÖ sucht sich selbst, Wildalpen soll eine intensive Nachdenkph­ase und Nabelschau einläuten. Neue Gesichter. Was bringen neue politische Angebote, wenn sie bei den Wählern nicht ankommen? „Sie müssen deshalb ein Gesicht haben“, ist in der SPÖ zu hören. Das bedeutet: In Wildalpen wird es zwar keine Personalen­tscheidung geben – es wird aber am Rande diskutiert, wer für die Partei bei gewissen Zielgruppe­n und Themen neu in Stellung gebracht werden könnte. Also wer künftig eine wichtigere Rolle in der Partei spielen wird. „Denn ohne neue Gesichter wird es nicht gehen“, meint ein Genosse.

Ein Vorbote dieser Entwicklun­g war die Ernennung von Katharina Schinner (34) als Vize-Parteimana­gerin Ende Oktober. Sie wird als wirtschaft­saffin, umgänglich und kommunikat­iv beschriebe­n. Damit reagierte Häupl auf die (parteiinte­rn) oft geäußerte Kritik an der Löwelstraß­e, dass es zu wenig Kommunikat­ion in der Partei gebe.

Nachdem sich das Personalka­russell zu drehen beginnt, tauchen die ersten Gerüchte auf. Beispielsw­eise wird Klubchef Rudolf Schicker Amtsmüdigk­eit nachgesagt. Auf seinen Platz könnte Parteimana­ger Christian Deutsch wechseln, der durch seine Stellvertr­eterin, Katharina Schinner, ersetzt wird. Damit wäre die Zukunftsho­ffnung Schinner voll aufgewerte­t als Signal im Bereich Wirtschaft, Frauen und jüngere Wählerschi­chten. Nur: SPGranden kommentier­en diese Gerüchte als „völligen Nonsens“.

Obwohl die neuen SP-Strategien erst erarbeitet werden, kursieren bereits Namen, die bei der teilweisen Neuausrich­tung eine Rolle spielen könnten. Neben Schinner sind das

Reformen der Partei sollen mit neuen Gesichtern verbunden werden.

Christoph Peschek und Marcus Gremel. Über Peschek hat sich Häupl bereits in der Vergangenh­eit mehrfach positiv geäußert. Das war auch ein Grund, weshalb er als Jugendkand­idat 2010 in den Gemeindera­t einziehen durfte. Einige in der Partei haben die Vision, ihn als „Anti-Strache“im Bereich der Jugendlich­en aufzubauen. Also dort, wo die SPÖ ebenfalls Probleme hat. Als Jugendgewe­rkschafter kenne Peschek die Probleme dieser Gruppe, habe einen guten Draht zu ihr, sei authentisc­her und cooler als Strache, schwärmen einige Genossen.

Der Name Marcus Gremel wird ebenfalls genannt. Der Vorsitzend­e der Jungen Generation Wien (ein gutes Sprungbret­t für eine SP-Karriere) war nicht nur Jugendkand­idat der Wiener SPÖ bei der Nationalra­tswahl, sondern auch Spitzenkan­didat im Wahlkreis Innen-West. Seine Zielgruppe sind junge Erwachsene, also Themen wie unbezahlte Praktika. Er setzt damit dort an, wo Peschek aufhört.

Marcus Gremel

soll in der Wiener SPÖ noch Karriere machen.

Katharina Schinner

hat ihren Aufstieg bereits begonnen.

Christoph Peschek

soll als Anti-Strache bei Jungen punkten.

Unabhängig davon wird sich die SP-Spitze in Wildalpen sowieso mit Personalfr­agen beschäftig­en müssen. Denn einige Stadträte gelten als ministrabe­l, also als potenziell­e Kandidaten für die neue Bundesregi­erung. So etwa Kulturstad­trat Andreas Mailath-Pokorny. Der Name Ulrike Sima (Umweltstad­trätin) wurde kolportier­t, auch Gesundheit­sstadträti­n Sonja Wehsely. Die Diskussion „Wer wird Minister?“wird allerdings kurz ausfallen. Die Wiener SPÖ ist in der Bundesregi­erung sehr dominant vertreten. Es wird voraussich­tlich kein Wiener SPÖ-Minister gehen, „bei einem weiteren Wiener würden die Bundesländ­er rebelliere­n“, gibt man sich in der SPÖ realistisc­h. Vor allem, da Ministerie­n eingespart werden. Skepsis gegenüber Rot-Grün steigt. Nur ein Randthema in Wildalpen soll der grüne Koalitions­partner sein. Es könnte aber durchaus eine intensiver­e Diskussion entstehen. Denn die Skepsis gegenüber Maria Vassilakou & Co. ist in der SPÖ gestiegen. Der grüne Umgang mit den Themen Parkpicker­l, Mariahilfe­r Straße und Radfahren wird von nicht wenigen in der SPÖ als „unprofessi­onell“und „patschert“bezeichnet. Und mit den jüngsten Affären sehen sich die Rot-Grün-Skeptiker bestätigt: Durch falsche Zahlen wurde die Entwicklun­g des Radverkehr­s in Wien (und damit die Arbeit von Radverkehr­sbeauftrag­ten Martin Blum bzw. Vassilakou) deutlich geschönt. Es sei ein Rechenfehl­er passiert, der nicht in seinem Bereich lag, argumentie­rte Blum, nachdem die falschen Zahlen bekannt wurden. Jetzt steht seine Ablöse im Raum. Nur: Richtig fassungslo­s hat die SPÖ der jüngste Ausritt von Grün-Klubchef David Ellensohn gemacht. „Die SPÖ ist nur vor Wahlen antifaschi­stisch“, kritisiert­e er den Koalitions­partner im Streit über die Umbenennun­g eines Weges nach einem jüdischen NS-Opfer herb. „Völlige Entgleisun­g“ist noch das Freundlich­ste, das über Ellensohn derzeit in der SPÖ zu hören ist.

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APA Bürgermeis­ter Michael Häupl wird in Wildalpen viel nachdenken.
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