Wie die Wurzeln wachsen
Österreichische Forscher hŻãen ein neues Gen i©entifiziert, ©Żs ©ie Größe von Wurzelzellen steuert: eine von mehreren Neuigkeiten üãer ein ziemlich unãekŻnntes OrgŻn.
Wurzeln sind für Pflanzen nicht weniger wichtig als die anderen beiden Organe – Stämme (Sprossachsen) und Blätter: Über das verzweigte Wurzelnetzwerk, durch das die Pflanzen im Boden verankert sind, nehmen sie Wasser und Nährstoffe auf. Darüber, wie sich Wurzeln entwickeln, weiß man indes weniger als über die oberirdischen Teile: Mal bilden Pflanzen axiale Wurzeln aus, die tief nach unten reichen, mal ist es ein radiales Wurzelsystem, das flächig unter der Erdoberfläche wächst; mal sind Wurzeln lang, mal sind sie kurz. Und: Sie bilden Netzwerke untereinander sowie mit anderen Organismen – etwa Pilzen oder Bakterien.
Wie Wurzeln wachsen ist weithin unbekannt – nicht zuletzt deshalb, weil ihre Untersuchung wegen der innigen Verquickung mit dem Substrat recht schwierig ist. Man macht aber Fortschritte: So hat nun ein Gruppe um Wolfgang Busch vom Gregor-MendelInstitut (GMI) für molekulare Pflanzenbiologie der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ein neues Gen gefunden, das steuert, wie groß neu gebildete Zellen sind und wie lang daher eine Wurzel wird. Die Forscher nannten dieses Gen KUK: als Abkürzung für die deutschen Wörter „kurz und klein“– ein große Ausnahme, denn Gene werden meist englisch und mit abstrakten Abkürzungen benannt. Kurz und klein. Der Weg zu diesem Fund war lang: Von vielen Lebewesen gibt es zwar mittlerweile riesige Genomkarten, in denen alle Gene eingezeichnet sind – neben dem Menschen gilt das insbesondere für die Lieblingspflanze der Forscher am GMI, Arabidopsis thaliana (Acker-Schmalwand). Durch die Methode der „genomweiten Assoziation“(GWA) kann man grundsätzlich Regionen auf den Genomkarten mit bestimmten Eigenschaften der Organismen in Verbindung bringen. Zu beweisen, dass ein Gen wirklich für eine Eigenschaft verantwortlich ist, ist indes sehr schwierig. Buschs Gruppe hat eine gefinkelte Methode entwickelt,
um dennoch zu einer klaren Aussage zu kommen: Dazu wurde das Wachstum von mehr als 1500 Arabidopsis-Setzlingen auf zellulärer Ebene mit einem automatisierten Konfokal-Mikroskop verfolgt. Es konnte beobachtet werden, wo und wie sich Zellen teilen und strecken. Die zellulären Unterschiede verschiedener Arabidopsis-Arten wurden dann mit den Genomsequenzen verglichen. Das Er- gebnis: Das Fehlen des KUK-Gens – oder eine bestimmte Variante von ihm – führte zu kleineren Zellen und kürzeren Wurzeln (Nature Genetics, 10. 11.).
So bedeutsam dieser Beitrag zum Pflanzenwurzelwachstum auch ist – alle Probleme sind damit noch lange nicht gelöst. So macht sich etwa eine Gruppe um den Zellbiologen Jürgen Kleine-Vehn (Boku Wien) Gedanken, wie ein Pflanze entscheidet, ob sie ein axiales oder radiales Wurzelsystem ausbildet. Die Forscher haben herausgefunden, dass darüber nur wenige Zellen entscheiden: nämlich jene an der Wurzelspitze, die über sogenannte Statolithen verfügen, die die Wirkung der Gravitation messen und daher wissen, wo oben und unten ist. Diese Zellen regulieren auch, welche Mengen des Wachstumshormons Auxin ausgeschüttet bzw. an der Wurzelflanke weitergeleitet werden: Davon hängt ab, ob sich eine Wurzel krümmt oder geradeaus wächst (Current Biology, 23, S. 817).
Dass und wie Pflanzen bei der Ausbildung des Wurzelsystems auf ihre Umwelt reagieren, hat eine internationale Forschergruppe mit Beteiligung von Herbert Edelsbrunner, Computerwissenschaftler am Institute of Science and Technology (IST) Austria, herausgefunden (PNAS, 29. 1.). Dabei wurden Reispflänzchen in einem transparenten Gel gezogen, das Wurzelwachstum wurde verfolgt und in Rechenmodellen (RootWork-Software) analysiert.
Die Forscher haben dabei zwei Mechanismen identifiziert, die die Bildung von Wurzelnetzwerken steuern: Zum einen nehmen Zellen in den Wurzelspitzen wahr, wenn sich eine Wurzel der gleichen Art nähert – dann bilden sie eher überlappende Wurzelsysteme als bei einer fremden Art; über welchen biochemischen Mechanismus das geschieht, weiß man derzeit nicht. Und zweitens ist die Wurzel in der Lage, Hindernisse mechanisch zu erkennen und ihnen auszuweichen.
Ob solche Reaktionen z. B. mit der Regulierung des neu entdeckten KUK-Gens zusammenhängen, ist derzeit freilich unbekannt.
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