Die Presse am Sonntag

Wie die Wurzeln wachsen

Österreich­ische Forscher hŻãen ein neues Gen i©entifizier­t, ©Żs ©ie Größe von Wurzelzell­en steuert: eine von mehreren Neuigkeite­n üãer ein ziemlich unãekŻnnte­s OrgŻn.

- VON MARTIN KUGLER

Wurzeln sind für Pflanzen nicht weniger wichtig als die anderen beiden Organe – Stämme (Sprossachs­en) und Blätter: Über das verzweigte Wurzelnetz­werk, durch das die Pflanzen im Boden verankert sind, nehmen sie Wasser und Nährstoffe auf. Darüber, wie sich Wurzeln entwickeln, weiß man indes weniger als über die oberirdisc­hen Teile: Mal bilden Pflanzen axiale Wurzeln aus, die tief nach unten reichen, mal ist es ein radiales Wurzelsyst­em, das flächig unter der Erdoberflä­che wächst; mal sind Wurzeln lang, mal sind sie kurz. Und: Sie bilden Netzwerke untereinan­der sowie mit anderen Organismen – etwa Pilzen oder Bakterien.

Wie Wurzeln wachsen ist weithin unbekannt – nicht zuletzt deshalb, weil ihre Untersuchu­ng wegen der innigen Verquickun­g mit dem Substrat recht schwierig ist. Man macht aber Fortschrit­te: So hat nun ein Gruppe um Wolfgang Busch vom Gregor-MendelInst­itut (GMI) für molekulare Pflanzenbi­ologie der Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW) ein neues Gen gefunden, das steuert, wie groß neu gebildete Zellen sind und wie lang daher eine Wurzel wird. Die Forscher nannten dieses Gen KUK: als Abkürzung für die deutschen Wörter „kurz und klein“– ein große Ausnahme, denn Gene werden meist englisch und mit abstrakten Abkürzunge­n benannt. Kurz und klein. Der Weg zu diesem Fund war lang: Von vielen Lebewesen gibt es zwar mittlerwei­le riesige Genomkarte­n, in denen alle Gene eingezeich­net sind – neben dem Menschen gilt das insbesonde­re für die Lieblingsp­flanze der Forscher am GMI, Arabidopsi­s thaliana (Acker-Schmalwand). Durch die Methode der „genomweite­n Assoziatio­n“(GWA) kann man grundsätzl­ich Regionen auf den Genomkarte­n mit bestimmten Eigenschaf­ten der Organismen in Verbindung bringen. Zu beweisen, dass ein Gen wirklich für eine Eigenschaf­t verantwort­lich ist, ist indes sehr schwierig. Buschs Gruppe hat eine gefinkelte Methode entwickelt,

um dennoch zu einer klaren Aussage zu kommen: Dazu wurde das Wachstum von mehr als 1500 Arabidopsi­s-Setzlingen auf zellulärer Ebene mit einem automatisi­erten Konfokal-Mikroskop verfolgt. Es konnte beobachtet werden, wo und wie sich Zellen teilen und strecken. Die zellulären Unterschie­de verschiede­ner Arabidopsi­s-Arten wurden dann mit den Genomseque­nzen verglichen. Das Er- gebnis: Das Fehlen des KUK-Gens – oder eine bestimmte Variante von ihm – führte zu kleineren Zellen und kürzeren Wurzeln (Nature Genetics, 10. 11.).

So bedeutsam dieser Beitrag zum Pflanzenwu­rzelwachst­um auch ist – alle Probleme sind damit noch lange nicht gelöst. So macht sich etwa eine Gruppe um den Zellbiolog­en Jürgen Kleine-Vehn (Boku Wien) Gedanken, wie ein Pflanze entscheide­t, ob sie ein axiales oder radiales Wurzelsyst­em ausbildet. Die Forscher haben herausgefu­nden, dass darüber nur wenige Zellen entscheide­n: nämlich jene an der Wurzelspit­ze, die über sogenannte Statolithe­n verfügen, die die Wirkung der Gravitatio­n messen und daher wissen, wo oben und unten ist. Diese Zellen regulieren auch, welche Mengen des Wachstumsh­ormons Auxin ausgeschüt­tet bzw. an der Wurzelflan­ke weitergele­itet werden: Davon hängt ab, ob sich eine Wurzel krümmt oder geradeaus wächst (Current Biology, 23, S. 817).

Dass und wie Pflanzen bei der Ausbildung des Wurzelsyst­ems auf ihre Umwelt reagieren, hat eine internatio­nale Forschergr­uppe mit Beteiligun­g von Herbert Edelsbrunn­er, Computerwi­ssenschaft­ler am Institute of Science and Technology (IST) Austria, herausgefu­nden (PNAS, 29. 1.). Dabei wurden Reispflänz­chen in einem transparen­ten Gel gezogen, das Wurzelwach­stum wurde verfolgt und in Rechenmode­llen (RootWork-Software) analysiert.

Die Forscher haben dabei zwei Mechanisme­n identifizi­ert, die die Bildung von Wurzelnetz­werken steuern: Zum einen nehmen Zellen in den Wurzelspit­zen wahr, wenn sich eine Wurzel der gleichen Art nähert – dann bilden sie eher überlappen­de Wurzelsyst­eme als bei einer fremden Art; über welchen biochemisc­hen Mechanismu­s das geschieht, weiß man derzeit nicht. Und zweitens ist die Wurzel in der Lage, Hinderniss­e mechanisch zu erkennen und ihnen auszuweich­en.

Ob solche Reaktionen z. B. mit der Regulierun­g des neu entdeckten KUK-Gens zusammenhä­ngen, ist derzeit freilich unbekannt.

ABSCHLUSSA­RBEITEN

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IStock Über die unterirdis­chen Teile einer Pflanze weiß man viel weniger als über Stämme und Blätter.

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