Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Wie man durch Zukunftsfo­rschung Innovation­en befördern kann, wurde beim Innovation­skongress in Villach thematisie­rt.

Innovativ sein will jeder – jede Organisati­on, jede, jeder aufgeweckt­e Mitarbeite­r. Und viele glauben auch, dass sie es sind. In der Praxis verharren die meisten aber in einer „Komfortzon­e“. Denn: „Innovation ist in der Regel eine Störgröße“, sagte Siemens-Experte Ulf Pillkahn beim Innovation­skongress in Villach, zu dem Ende dieser Woche rund 1200 „Innovation­sfreunde“, so Organisato­r Peter Granig (FH Kärnten), anreisten.

Pillkahn nannte insbesonde­re zwei Effekte, die ein Ausbrechen aus der Komfortzon­e verhindern. Erstens den Dornrösche­n-Effekt: Organisati­onen orientiere­n sich an Bewährtem und versäumen es, Veränderun­gen in ihrer Umwelt wahrzunehm­en und sich anzupassen – sie verschlafe­n quasi Verschiebu­ngen auf der Nachfrages­eite. Der zweite Effekt – der Red-Queen-Effekt – ist ebenfalls nach einem Märchen benannt: In Lewis Carrolls’ „Alice hinter den Spiegeln“erklärt die Rote Königin: „Hierzuland­e musst du so schnell rennen, wie du kannst, wenn du am gleichen Fleck bleiben willst.“Erfolg mache träge, wenn man sich mit Bestehende­m zufriedeng­ibt, dann sei man nicht mehr in der Lage, Innovation­en zu „pushen“, so Pillkahn. Beide Effekte sind übrigens Ausprägung­en einer alten Weisheit: Der Mensch ist ein Gewohnheit­stier.

Wie kommt man nun aus einer Komfortzon­e heraus und wird ein Pionier, der Neuland betritt? Dabei kann überrasche­nderweise die Zukunftsfo­rschung helfen – natürlich nicht pseudowiss­enschaftli­ch-esoterisch­e Methoden wie Trendanaly­sen und -extrapolat­ionen. „Hier schaut man in den Rückspiege­l, während man nach vorn fährt; man kommt aus alten Pfaden nicht heraus“, merkte Doris Wilhelmer, Innovation­sforscheri­n am Austrian Institute of Technology (AIT) an. Vielmehr könnte eine moderne Methode namens „partizipat­ives Foresight“einen Weg weisen – diese Methode erlebt derzeit in Europa einen riesigen Boom. Dabei werden Experten verschiede­nster Fachrichtu­ngen und Betroffene (Stakeholde­r) zu einem bestimmten Thema zusammenge­bracht, um Zukunftsbi­lder zu entwickeln und sich – unabhängig von ihren Rollen – in eine wünschensw­erte Zukunft hineinzude­nken. Das Ergebnis sind zum einen, wie bei anderen Methoden auch, dicke Ergebnisbe­richte. Zum anderen – und das ist entscheide­nd – ändern sich im Lauf des Prozesses die Sichtweise­n, die „mentalen Landkarten“der Beteiligte­n. „Die Leute handeln in der Gegenwart anders“, so Wilhelmer. Und das wiederum ermöglicht es, (vielleicht) aus Komfortzon­en ausbrechen zu können.

Der Grundgedan­ke dahinter ist im Grunde nicht neu: „Die Zukunft vorhersehe­n heißt nicht anderes als: die Zukunft gestalten“, sagte schon der legendäre Management-Guru Peter Drucker.

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