VISWANATHAN ANAND
Der Schachweltmeister fürchtete schon vor fünf Jahren seinen jetzigen Herausforderer Magnus
Carlsen. Sportsgeist seinen Beraterstab offenlegte, antwortete Carlsen nur knapp: „I’m afraid I can’t return the favor.“Was wiederum Spekulationen befeuerte, dass Carlsen sich wieder von Kasparow – derzeit wegen seiner PräsidentschaftsAmbitionen persona non grata bei FIDE-Turnieren – beraten ließe, der am Freitag im Hyatt Regency Hotel, wo der Wettbewerb steigt, gesichtet wurde. Weltmeister ohne Allüren. Mit solchen Allüren ist es schwer, Carlsen nicht als Gegenpol seines Konkurrenten zu betrachten. Trotz seines martialischen nom de guerre, „Der Tiger von Madras“, gilt Viswanathan Anand als einer der „menschlichsten“Schachweltmeister seit langem: Ohne paranoide Weltsicht eines Bobby Fischer, ohne die Arroganz Kasparows und ohne die Introvertiertheit seines einstigen Trainigspartners Carlsen gilt der Weltmeister, der seinen 2007 errungenen Titel seither schon auf drei Turnieren verteidigen konnte, als der „nettere“der beiden Spieler.
Anands Mutter hatte ihm mit sechs Jahren beigebracht, Schach zu spielen – die Begeisterung für das Spiel begann aber erst zwei Jahre später, als er vorübergehend auf den Philippinen lebte, wo infolge der Schach-WM 1978 (Karpow-Kortschnoi) große Schachbegeisterung ausgebrochen war. Systematisch gefördert wurde Anand aber nicht – er musste sich die Erlaubnis zu spielen durch gute Schulnoten „verdienen“. Nach der Schule studierte er BWL – aus Angst, komplett in dem Spiel aufzugehen und ohne „vernünftiges“Standbein“zu enden, wie er einmal in einem Interview erklärte. Mit 19 stieg er als erster Inder zum Großmeister auf.
1995 ging er zum ersten Mal ins Duell um die (von der FIDE nicht anerkannte) Weltmeisterschaft, unterlag aber Kasparow. 2000 erlangte er seinen ersten Titel, seit 2007 hat Anand alle Weltmeisterschaften für sich entschieden – was mit für den Schach-Boom in Indien verantwortlich sein dürfte, wo heute die Hälfte aller Erwachsenen angibt, mindestens einmal im Monat zu spielen – zum Vergleich: In Russland ist es nur ein Drittel. In der Provinz seiner Heimatstadt Chennai ist der Schachunterricht unterdessen sogar verpflichtend. Zum Training für die WM hat sich Anand aber drei Monate lang ins deutsche Bad Soden bei Frankfurt zurückgezogen, wo er deutschen Lokalmedien zufolge ein zurückgezogenes, bescheidenes Leben führte. Ein Leben, wie er es auch Carlsen wünscht: Schon vor fünf Jahren sagte er, der Norweger müsse endlich ein Mädchen kennenlernen – „damit man in Zukunft noch mit ihm mithalten kann.“