Rot wie Blut
Weiß wie Schnee. Rot wie Blut. Schwarz wie Ebenholz. Fast wie im Märchen. Nur dass Paula Ender nicht bei Schneewittchen zu Gast war, sondern in der Wohnung des Unternehmers Blöck. Schwarze Möbel, weißes Sofa und ein großer Flokati, Letztere mit hässlichen Rotweinflecken übersät. Mittendrin lag Blöck mit Untergate. Rund um ihn die Scherben einer Weinflasche, die wohl das Tatwerkzeug war.
„Na, Prost!“, entfuhr es Paulas Freundin Clea. Ihr Chef hatte Clea zu sich geladen, um mit ihr eine Arbeit zu besprechen. „Wieso beordert mich Blöck zu sich nach Hause?“, hatte Clea misstrauisch gefragt. „Vielleicht, weil es dort gemütlicher ist“, hatte Paula versucht, das Misstrauen ihrer Freundin zu zerstreuen. Bloß weil Clea ein rassiges Vollweib mit üppiger Oberweite, schmaler Taille und langen Beinen war, hatte Paula dem Mann nicht gleich unanständige Absichten unterstellen wollen. Als sie Blöck daliegen sah, war sie froh, dass sie Clea angeboten hatte, sie zu begleiten. Die Wohnungstür war nur angelehnt gewesen, und als sich niemand auf ihr Klingeln und Klopfen gerührt hatte, waren die beiden Frauen eingetreten. Nun standen sie im Wohnzimmer und starrten auf das wüste Szenario. Die Wärme im Raum war unerträglich. Paula verständigte Rettung und Polizei, während Clea den Puls ihres Chefs fühlte. „Er ist nur bewusstlos“, stellte sie fest. Paula nutzte die Wartezeit bis zum Eintreffen der Helfer für eine Wohnungsinspektion. Um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, benutzte sie ein Taschentuch. Im Schlafzimmer fand sie den Tresor sperrangelweit offen stehen und – leer. Vorsichtig zog sie die Tür wieder hinter sich zu.
Für Paula deutete alles darauf hin, dass der Mann hinterrücks mit der Weinflasche niedergeschlagen und ausgeraubt worden war. Genaueres würde die Polizei herausfinden müssen.
Auf einmal ließ eine krächzende Frauenstimme die Freundinnen zusammenzucken. „Was tun Sie da? Um Gottes Will’n! Der Herr Blöck! Ist er . . . ? Haben Sie ihn . . . ?“Paula und Clea schüttelten entsetzt den Kopf. „Natürlich nicht!“, wies Paula jeden Verdacht sofort von sich und schob die schockier-
HASHIWOKAKERO
Ilona Mayer-Zach
schreibt neben Kriminalromanen („Schlangenwald“, „Schärfentiefe“), Kurzgeschichten, Bühnenstücken und Jahrgangsbänden der Reihe „Kindheit und Jugend in Österreich“seit 2009 Rätselkrimis. Eine Auswahl der besten Geschichten ist in der Anthologie „Tod im Dreivierteltakt“(VH Hernals) nachzulesen.
www.krimiautoren.at te Frau aus der Wohnung hinaus auf den Gang, damit sie am Tatort nichts anfasste. Clea blieb beim Bewusstlosen.
„Ist Ihnen vielleicht etwas Außergewöhnliches aufgefallen?“, fragte Paula die Frau.
„Na, was glauben Sie? Dass ich nur, weil ich hier die Hausbetreuerin bin, nix anderes zu tun hab, als die Besucher, die im Haus ein- und ausgehen, zu beobachten?“Genau das dachte Paula. Schließlich hatte die Frau auch ihr Kommen bemerkt und war so neugierig gewesen, dass sie ihnen hinterhergeschlichen war. Paula verkniff sich jeden Kommentar und versuchte es diplomatisch: „Sicher haben Sie viel Wichtigeres zu tun. Aber vielleicht haben Sie doch etwas oder jemanden bemerkt?“
„Hm, vor circa einer Stunde, als ich das Stiegenhaus aufgewaschen hab, ist ein Bekannter vom Herrn Blöck hier gewesen. Der war stinksauer, hat laut an seine Tür gehämmert. Rumpf oder so ähnlich hieß der, wenn ich das richtig verstanden habe. Aber nicht, dass Sie glauben, dass ich an der Tür gelauscht hab! Der Spuk war keine zehn Minuten später vorbei. Dann ist der Kerl so wütend die Treppe runtergelaufen, dass er fast meinen Wassereimer umgerannt hätte.“
Ein Nachbar steckte seinen Kopf durch den Türspalt. „Ja, grüß’ Sie, Herr Smetana. Haben S’ schon gehört? Den Herrn Blöck haben s’ hinterrücks niedergeschlagen und ausgeraubt. Nirgendwo ist man heutzutag’ mehr sicher!“Neugierig gesellte sich der Nachbar zu ihnen. Er trug ein Hemd in einem dunklen Rot. Ein ideales Outfit für jemanden, der anderen Rotweinflaschen über den Kopf zog, sinnierte Paula. „Bei den seinen Weiberg’schichten war’s doch nur eine Frage der Zeit, bis eine auszuckt“, ätzte der Mann in Rot. Sprach die Eifersucht aus ihm? „Erst vorhin ist eine Frau heulend weggelaufen. Wann genau, weiß ich nicht. Ich kümmere mich nicht um das, was die Nachbarn tun.“Paula war beeindruckt, dass Leuten, die Letzteres behaupteten, dennoch immer sehr viel auffiel.
„Genau“, mischte sich die Hausmeisterin wieder ein. „Jetzt, da Sie’s sagen, kann ich mich auch erinnern. Aber g’hört hab ich nix, obwohl ich . . .“Sie hielt mitten im Satz inne.
SKYLINE Obwohl Sie gelauscht hatten, ergänzte Paula, ohne die Worte auszusprechen.
„Grüß Gott!“Ein älterer Herr in Gesellschaft eines Pinschers gesellte sich zu ihnen. Die Hausbetreuerin unterrichtete den Herrn Professor sofort. „Du meine Güte! Wer macht denn so was? Dabei haben wir noch gestern Abend Bridge gespielt. Ich habe ihm immer gesagt, er soll sein Geld nicht zu Hause horten. Tresor hin oder her.“Und wie um sofort von sich abzulenken, dass er von dem Safe gewusst hatte, fügte er mit bedauerndem Schulterzucken hinzu: „Nur schade, dass ich nichts zur Klärung beitragen kann. Ich bin heute schon zeitig in der Früh mit der Trupsi Gassi gegangen und danach einkaufen.“Demonstrativ hielt er einen durchsichtigen Plastiksack hoch. Paula wich instinktiv zurück. Doch es waren keine Hundstrümmerl darin, sondern Lebensmittel und eine Flasche Wein.
„Ich muss dann mal los“, verabschiedete sich der Nachbar im roten Hemd plötzlich sehr eilig. Der Professor deutete eine Verbeugung an und fort waren auch Herr und Hund. Nur die Hausbesorgerin blieb. „Kennen Sie den Herrn Blöck gut?“, fragte Paula.
„Zweimal in der Woche habe ich bei ihm geputzt. Ein Geizkragen ist er halt. Nie wollte er mit dem Geld rausrücken und hat ständig gemeckert, dass ich nicht ordentlich putze. Na, jetzt hat er die Bescherung. Die kann seine neue Raumkosmetikerin wegputzen! “Plötzlich hielt sie inne und starrte Paula böse an. „Wollen S’ mich etwa verdächtigen, dass ich es war, die ihn ausgeraubt hat?“, fuhr sie Paula an. „Ja, genau“, nickte Paula und war froh, dass soeben die Rettungsmänner und zwei Polizeibeamte die Stiegen hinaufkamen. Warum ist Paula überzeugt, dass die Hausbesorgerin die Täterin war? Lösung der vergangenen Woche: Martin ist sich sicher, dass die Baumwurzeln über die Jahre die Kassette verschoben und zerdrückt haben. Daher konnte er ein verwittertes Stück in dem leeren Kanal finden. Erst mit der Freilegung der Wurzeln konnte Swabetzky beim Verlegen der Leitung die Überreste finden. Schließlich war er der Letzte, der graben konnte.