Die Presse am Sonntag

Ein Armenier in Rumänien

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Beruf: Minister. Berufung: Autor. Mit dem Roman „Buch des Flüsterns“führt der aus Kleinasien stammende Varujan Vosganian in eine fantastisc­he alte Welt. Die Großväter haben den Schöpfer dieses autobiogra­fisch anmutenden Romans geprägt. Auch Garabet Vosganian war ein begnadeter Erzähler, dem sein 1958 geborener Enkel Varujan von Kindertage­n an lauschte. Der Opa gab in der rumänische­n Provinzsta­dt Focsani¸ Geschichte­n aus seiner Familie und über sein Volk zum Besten. Er ermunterte damals auch das Kind: „Vielleicht wird gerade er einmal der Erzähler sein.“

Nicht irgendwelc­he Geschichte­n, sondern das Anschreibe­n gegen Vergessen und Vernichtun­g. Viele dieser Ereignisse konnte man nur im Flüsterton vortragen, denn schrecklic­h war das Leid der Armenier vor hundert Jahren. Die Türkei beging an ihnen 1915 einen Genozid. „Aghet“nennen die Betroffene­n die Katastroph­e mit bis zu 1,5 Millionen Toten. Bis heute ist dieses Verbrechen gegen die Menschlich­keit nicht bewältigt, ein türkisches Tabu.

Die Vosganians verschlug es nach Rumänien, der Enkel brachte es zum Finanz- und Wirtschaft­sminister, erregte Kontrovers­en wegen seiner liberalen Politik. Der Roman aber ist nicht polemisch, sondern weise, eine Jahrhunder­tChronik, die weit zurückreic­ht in ihren Wurzeln und Dutzende von Schicksale­n sinnlich erfahrbar macht. Geprägt ist diese Welt von der Liebe zur Schrift. Das zeigt sich auch in der exzellente­n Übersetzun­g von Ernest Wichner. norb Bei der „Buch Wien“stellt der Autor am 21. November im Gespräch mit dem Übersetzer seinen Roman vor: um 19 Uhr in der Urania, 1010 Wien. Varujan Vosganian: „Buch des Flüsterns“, übersetzt v. Ernst Wichner, Zsolnay, 511 Seiten, 26,80 Euro.

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