Die Presse am Sonntag

Der Mediator

NEUIGKEITE­N AUS DER WELT DER NACHRICHTE­N

- VON NORBERT MAYER

Das Internet ist die Spielwiese für Spione, von Washington über Moskau bis Peking. Wehe aber, ein Privater von Anonymous wie Jeremy Hammond beschafft sich illegal Informatio­nen!

Wenn amerikanis­che Geheimdien­ste das Mobiltelef­on der deutschen Bundeskanz­lerin systematis­ch abhören, ist das nicht weiter schlimm. Barack Obama sagt „Sorry!“zu Angela Merkel und stellt sich ansonsten dumm. Es wäre auch zu viel verlangt, dass der US-Präsident wirklich weiß, was bei NSA und CIA vor sich geht, selbst wenn dadurch die Diplomatie zwischen befreundet­en Mächten ein wenig strapazier­t wird.

Wir gewöhnlich­en Leute können also fix davon ausgehen, dass unsere Lebenszeic­hen im Internet mehrfach überwacht, gesiebt und auf irgendeine­n Nutzen abgeklopft werden. Big Brother horcht immer, sieht alles. Wir sind zu gläsernen Menschen für Staaten und Konzerne geworden. So hat die feine Firma Facebook gerade erst wiederholt, dass sie selbstvers­tändlich alle Postings ihrer 1,2 Milliarden Kunden für Werbezweck­e verwenden darf. Sogar Jugendschu­tz ist für sie obsolet. Firmenchef Mark Zuckerberg ist entzückt über das viele kollektive Wissen, das durch seine Maschinen geht: „This has the potential to be really powerful“, sagte er unlängst einer Gruppe von Wallstreet-Analysten.

1,2 Milliarden gläserne Kunden! Da verblassen sogar größte staatliche Hacker. Wer aber solche Schnüffele­i kritisiert, gilt rasch als Sonderling. Misstrauen ist das Privileg der richtig Mächtigen. Zehn Jahre Haft. Was aber passiert, wenn ein kleiner Privater sich im Stil von Robin Hood die Großen zum Ziel nimmt? Schlechte Idee! Am Freitag hat man das vor einem Bundesgeri­cht in New York gesehen: Jeremy Hammond, Mitglied der HackerGrup­pe „Anonymous“, wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Das ist die Höchststra­fe.

Das Verbrechen: Der 28-Jährige hat die Computer von Bundesbehö­rden ausspionie­rt, wahrschein­lich auch die CIA. Und er hat sogar eine private „Sicherheit­sfirma“sabotiert, Stratfor aus Austin in Texas. Dort wurden von ihm die Daten von 860.000 Klienten durchforst­et. Insgesamt bewegte er dort 200 Gigabyte an Material. Via zehntausen­der Kreditkart­en hat Anonymous zirka 700.000 Dollar an gemeinnütz­ige Organisati­onen überwiesen.

Wohlfahrt auf Kosten von Schnüffler­n? Nicht einmal das darf sein, selbst wenn der wiederholt Verurteilt­e jetzt behauptet, dass er nur einen Akt des zivilen Ungehorsam­s setzen wollte. Für ihn ist Stratfor ein Ziel, das solche Methoden verdient. Die Firma führe im Auftrag multinatio­naler Konzerne „wahrschein­lich illegale Überwachun­gen“durch.

Richterin Loretta A. Preska aber sah nichts Edles oder Soziales darin, dass ein Hacker Chaos anrichtet. Diese Ansicht kann man vertreten, selbst wenn zehn Jahre Bau etwas drakonisch anmuten. Dann aber sollte gleiches Recht für alle gelten. Wie edel und sozial ist denn das Chaos der NSA?

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