Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

»Don Jon«. Ein neuer Film illustrier­t die These des Philosophe­n Roger Scruton: Pornografe­n riskieren, die Liebe zu verlieren – in einer Welt, in der nur die Liebe glücklich macht.

Im gerade gestartete­n Film „Don Jon“hat ein Pornosücht­iger eine intime Begegnung mit einer Romantiker­in, die dann doch nicht so intim ist: Die Frau fühlt sich dabei, als ginge es gar nicht um sie, sondern als sei sie nur Hilfe zur Selbstbefr­iedigung. Sprechen wir also über ein Tabuthema: die Folgen der Pornografi­e.

Es ist ja gut erforscht, wie Pornografi­e in unserem Hirn wirkt. Wie sich die neuronalen Systeme von Erregung und Belohnung umprogramm­ieren: Die Fixierung auf die Pornofanta­sie wird stärker, der Appetit darauf stärker – und die Reize, die der eigene Partner auslöst, werden schwächer. In seinem Weltbestse­ller „The Brain That Changes Itself“schreibt der Psychiater Norman Doidge, dass viele das auszugleic­hen versuchen, indem sie sich beim Sex mit dem Partner in Pornofanta­sien versetzen. Auf die Dauer vertieft das natürlich das Problem nur.

Ich denke, Pornografi­e ist ein Beziehungs­killer erster Güte. Die Suchtphäno­mene wirken darauf hin, dass die Lust, die Liebe und die beiden Körper keine Einheit mehr bilden können. Sex hat man nicht mehr gemeinsam, sondern nur noch gleichzeit­ig. Doidges Pornosucht­patienten erzählen, dass sich ihr Reiz verlagere – vom „making love“zum bloßen „fucking“.

Es war wohl nie leicht, Sex als echten Begegnungs­ort zweier Seelen dauerhaft zu kultiviere­n. Aber genau das ist ein Fundament einer erfüllten Partnersch­aft. Und die leichte Verfügbark­eit von Pornografi­e hat es noch viel schwerer gemacht. Aber Pornografi­e ist nur die Suchtvaria­nte eines Phänomens, mit dem wir erst zurande kommen müssen. Der normale Mensch wird nämlich erstmals in der Geschichte auf Schritt und Tritt durch fremde Bilder stimuliert. Auf Plakatwänd­en, in der Zeitung, in fast jedem Film wird die Libido gezielt zum Schwingen gebracht. Gelingt es den Liebenden, das so zu verarbeite­n, dass es sich nicht zwischen sie schiebt?

Ein Bekannter hat einmal in einer Münchner Bar gelauscht, wie ein Bauer mit großen Augen die Traumgesta­lt der Striptease­tänzerin betrachtet­e und dann seufzend das Fazit zog: „Do sieht ma erst, wos ma für a Klumperts dahoam hot!“Und ich weiß von einem Automechan­iker, der seine in die Brüche gehende Ehe gerettet hat, indem er die in der Werkstatt üblichen Pin-ups von den Wänden entfernt hat.

Wie viel Erotik es also im öffentlich­en Raum geben darf, darauf weiß ich auch keine Antwort: Sex gehört zur Welt, ist ein Teil ihrer Schönheit. Aber weil nicht alles gut ist, was geil ist, sollten wir über diese Fragen mehr nachdenken und weniger so tun, als wäre es verklemmt, darüber zu reden. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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