Die Presse am Sonntag

Zwischen Wellness-Bordell und De-facto-Verbot

Frankreich hat in einem ersten Schritt für eine Bestrafung von Freiern gestimmt. In Österreich sieht man beim Thema Prostituti­on keinen Debattenbe­darf. Rechtlich ist fast alles möglich.

- LEITARTIKE­L VON ULRIKE WEISER

Frankreich sagt also Ja zum Nein. Die französisc­he Nationalve­rsammlung votierte Freitagabe­nd für die Bestrafung von Freiern – ein Signal, auch wenn über das gesamte Gesetz erst am Mittwoch abgestimmt wird. Auch Deutschlan­d debattiert über Prostituti­on. Die sehr liberale Rechtslage wird verschärft, aber Alice Schwarzer will bekanntlic­h mehr: ein Verbot.

Und in Österreich? Hier werden weder Gesetze um- noch Manifeste neu geschriebe­n. Es gibt weder einen „Abschaffen!“-Appell noch einen „Hände weg von meiner Hure!“-Protest wie in Frankreich. Die heimische Politik (und vermutlich die Mehrheit der Bevölkerun­g) will vielmehr, dass alles bleibt, wie es ist. Der Stehsatz lautet: Man heiße Prostituti­on nicht gut, könne sie aber nicht verbieten, denn dann drifte das Geschäft in die unkontroll­ierbare Illegalitä­t ab.

Interessan­terweise macht Österreich dann in der Praxis aber beides. Man verbietet Prostituti­on und heißt sie gut. In Vorarlberg wird etwa weder Straßenstr­ich noch Bordell genehmigt – ein De-facto-Verbot also. In Kärnten wiederum herrschte bei der Eröff- nung eines riesigen Wellness-Bordells Volksfests­timmung – inklusive Bürgermeis­terjubel über die neuen Arbeitsplä­tze.

Beides nährt die Vermutung: In Österreich gibt es deshalb keine Debatte, weil eh alles möglich ist. Dieser Gummizusta­nd wird allerdings nicht von Dauer sein. Nicht wegen der Nachbarlän­der, sondern wegen der nüchternen Justiz. Die Mühlen der Höchstgeri­chte mahlen zwar langsam, aber irgendwann zerbröseln sie rechtliche Wertungswi­dersprüche doch. Im Vorjahr beendete der Oberste Gerichtsho­f spät, aber doch die Sittenwidr­igkeit von Verträgen zwischen Prostituie­rten und Kunden – zuvor konnten Erstere nicht einmal in der Theorie ihren Lohn einklagen. Heuer hob das Verfassung­sgericht einen Bescheid auf, der ein legales Bordell in Vorarlberg verhindern wollte. Anders formuliert: Ohne dass man es merkt, sitzt Österreich bereits im Zug Richtung Liberalisi­erung. Was, wäre man konsequent, bedeuten würde: echte Arbeitsver­träge für Prostituie­rte, eine Vertretung in der Kammer etc. In Zeiten, da die komplette Legalisier­ung in Deutschlan­d gerade ihr hässliches Gesicht zeigt, ist so viel Konsequenz vielen unangenehm: In Deutschlan­d boomen Flatrate-Bordelle, Sextourism­us, von sozialer Absicherun­g ist dagegen nichts zu merken. Man müsste sich auch die Frage stellen: Wie sieht „gute Prostituti­on“überhaupt aus? Die Wiener Frauenstad­trätin träumt von kleinen selbstbest­immten Bordellen. Andere vom Staatsmono­pol. Fair-Trade-Sex von „garantiert glückliche­n Prostituie­rten“? Das darf man zynisch finden.

Apropos zynisch: Auch wenn nicht alle Prostituie­rten gezwungen werden – außer man zählt Zwang durch Armut dazu –, ist es brutal, Sexarbeit als Dienstleis­tung zu sehen. Denn anders als bei anderen Jobs unterschei­det der Kunde eben nicht zwischen Mensch und Leistung. Er will ja glauben, dass es nicht nur um einen Job geht. Das macht nüchternen Respekt schwierig. In einer Branche ohne Distanz ist Gewalt oft nicht mehr weit. Prostituti­on kann kein Job wie jeder andere sein. Wenn man Ja zur Liberalisi­erung sagt, sollte man es mit offenen Augen tun.

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