Mut zum »Palazzo Prozzo«
In den kommenden Monaten fällt die Entscheidung, wie das Parlament saniert wird. Eines ist jetzt schon klar: Das Vorhaben wird teuer, egal, für welche Variante man sich letztlich entscheidet.
Mut ist auch bei Abgeordneten manchmal gefragt. Dann nämlich, wenn es um Entscheidungen in eigener Sache geht. Die anstehende Sanierung des Parlaments gehört dazu. Wird man es wagen, Geld in die Hand zu nehmen, um Vernünftiges auf die Beine zu stellen? Oder fürchtet man sich vor Negativschlagzeilen über Verschwender, die einen „Palazzo Prozzo“hinstellen wollen?
Das vom dänischen Architekten Theophil Hansen errichtete Parlamentsgebäude muss 130 Jahre nach seiner Eröffnung dringend saniert werden – so weit herrscht zumindest Einigkeit. Denn hinter den eleganten Marmorfassaden verbergen sich erschreckende Mängel. Das Dach ist undicht, Wasser rinnt in die darunterliegende Dachkonstruktion, die bereits angegriffen wurde. Auch die immer
Publikumsmagnet Parlament: Mit Besuchermagistrale und Cafeteria auf dem Dach.
noch im Originalzustand befindlichen Holzfenster sind schwer beschädigt. Und das ist nur die Oberfläche. Viele Probleme kann man derzeit nur erahnen: Veraltete Elektroleitungen könnten längst defekt sein, undichte Wasserleitungen gefährden die Bausubstanz. Ständig muss die Parlamentsdirektion die dringendsten Schäden beseitigen. Für Aufsehen sorgte vor zwei Jahren der Nationalratssitzungssaal: Die Glasdecke war einsturzgefährdet und musste erneuert werden.
Doch die Schäden sind nur ein Teil des Problems. Dazu kommt: Das Gebäude mit seinen 8738 Quadratmetern Nutzfläche entspricht längst nicht mehr den gesetzlichen Vorschriften – was in einem Haus, in dem ebendiese Vorschriften gemacht werden, einigermaßen peinlich ist. Wegen unzureichenden Brandschutzes müsste das Parlament längst gesperrt werden – fehlende Brandschutztüren und unzureichende Fluchtwege sorgen für Gefahr. Nur eine befristete Übergangsregelung ermög- licht den weiteren Betrieb. Behindertengerecht ist das Gebäude natürlich auch nicht – was angesichts des Alters aber auch kein Wunder ist.
Was also machen? Nur die Schäden beseitigen und einen gesetzeskonformen Zustand herstellen oder die Chance nutzen und das Parlament auf die Arbeitsbedingungen des 21. Jahrhunderts heranführen? Oder gar ein architektonisches Zeichen setzen? Parlamentspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) hat sich in den vergangenen Jahren um eine Entscheidung gedrückt. Immerhin: Jetzt hat sie eine Kostenschätzung für die einzelnen Sanierungsvarianten vorgelegt. Im Frühjahr muss entschieden werden, was weiter geschieht. Sonst läuft die feuerrechtliche Bewilligung aus. Das Parlament müsste zusperren – oder eine Lex Parlament beschließen.
Billig ist die Sanierung des historischen Gebäudes sicher nicht – egal, für welche Variante man sich entscheidet. Schon die Minimalvariante, die reine Behebung aller Schäden und Mängel, kostet 280 Millionen Euro. Dazu kommen noch – wie bei jeder anderen Variante auch – die Kosten für die Übergangslösung: Während der Bauphase von mindestens drei Jahren müsste das Parlament teilweise oder gänzlich abgesiedelt werden. Ein geeigneter Saal für die Nationalratssitzungen und Büros für die rund 1000 Mitarbeiter von Parlamentsdirektion und den Klubs müssten angemietet werden. Das kostet weitere 40 bis 100 Millionen Euro – je nachdem, welche Variante gewählt wird. Am billigsten wäre es übrigens, gleich das ganze Haus zu schließen. Parlament als Besuchermagnet. Wesentlich teurer als die Minimalvariante kommt das, was das Projektteam „nachhaltige Sanierung“nennt. Um 352 Millionen Euro soll das Parlament auf einen modernen Stand gebracht werden. Zwei Zielrichtungen haben die Planer dabei im Auge: erstens die Arbeitsbedingungen für Parlamentarier und ihre Mitarbeiter zu verbessern. Und zweitens das Parlament zu öffnen und zu einem Besuchermagnet zu machen.
Dabei will man nicht nur ergonomisch optimale Arbeitsplätze schaffen, sondern auch bisher ungenutzte Raumreserven mobilisieren: Die gibt es vor allem in den ohnehin zu erneuernden Dachkonstruktionen. Auch über dem Nationalrats- und dem Reichsratssitzungssaal sollen Arbeitsplätze entstehen. Das ist zwar nicht billig, amortisiert sich aber bald. Denn derzeit hat das Parlement 9320 Quadratmeter Nutzfläche in naheliegenden Bürogebäuden angemietet.
Ein wesentlicher Punkt ist die Schaffung neuer Besprechungs- und Sitzungszimmer. Dafür wird der Bundesratssitzungssaal in den hinteren Bereich des Gebäudes abgesiedelt und rund um die Säulenhalle sechs Sitzungszimmer geschaffen.
Die Besucher sollen mittels einer „Besuchermagistrale“angelockt werden: eines Durchgangs vom Ring bis zur Reichsratsstraße, der großzügig mit Kiosks, Shops, Garderoben und einem Infobereich ausgestattet ist. Und statt der bisherigen Parlamentscafeteria gibt es eine Besuchercafeteria im Dachgeschoß, inklusive großzügiger Dachterrasse. Bis zu 150 Besucher sollen hier Platz finden.
Eine weitere Variante hat das Projektteam angedacht, aber nicht weiter ausgeführt: Ein „architektonisches Zeichen“wie ein Turm oder eine Kuppel könnte weitere 60 Millionen Euro kosten. Und eine letzte Variante sollte auch nicht ganz außer Acht gelassen werden: ein kompletter Neubau, der laut Berechnungen 484 Millionen Euro kosten würde. Der bekannte Architekt Wolf D. Prix – Coop Himmelb(l)au – hat schon einmal einen Neubau am Heldenplatz vorgeschlagen. Das derzeitige Parlament will er zu einem Museum machen.
Das kommt alles viel teurer als eine reine Beseitigung der Schäden? Zweifellos. Aber immerhin handelt es sich um ein Gebäude mit Symbolkraft. Das Parlament ist der Kern unseres demokratischen Systems. Und den nur mit dem Sparstift zu behandeln sagt auch viel darüber aus, welcher Wert der Demokratie beigemessen wird. Wie viel Mut die Abgeordneten aufbringen, wird man in den kommenden Monaten sehen. Und es wird noch lange sichtbar bleiben: Die nächste Generalsanierung steht erst in einigen Jahrzehnten an.