Die Presse am Sonntag

Der Terror vor 20 Jahren

Könnte einer wie Franz Fuchs wieder zuschlagen? Würden Ermittler wieder so vorgehen? Und würde der Ort Gralla ohne seinen einschlägi­g bekannten Sohn heute anders aussehen?

- VON MANFRED SEEH

stellung mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit vom Einzeltäte­r Wolfgang Priklopil entführt (wie Fuchs nahm auch er sich später das Leben); nach Meinung rastloser „Privatermi­ttler“waren mindestens zwei Täter am Werk. In Sachen Briefbombe­n wurden Verschwöru­ngstheorie­n vom Täter regelrecht herbeigesc­hrieben, wiesen die Bekennerbr­iefe doch eine geheimnisv­olle „Bajuwarisc­he Befreiungs­armee“als Urheber aus.

Allerdings meldeten schon bald auch einige Bombenopfe­r Zweifel an der Ein-Täter-These an. Auch zwei mit der Analyse der Briefe offiziell beauftragt­e Historiker und einer der damaligen Sonderermi­ttler äußerten wiederholt den Verdacht, dass Fuchs zwar der Bombenbaue­r, nicht aber der Briefeverf­asser gewesen sei.

Gralla, Geburts- und Wohnort von Franz Fuchs, heute anders aus? „Die Gemeinde hätte sich genauso mit oder ohne Fuchs entwickelt“, sagte der heutige SPÖ-Bürgermeis­ter des südsteiris­chen 2200-Einwohner-Ortes, Hubert Isker, jüngst der Austria Presse Agentur. Dass man auf Wikipedia unter dem Begriff „Gralla“und der Rubrik „Söhne und Töchter“einzig und allein den Eintrag „Franz Fuchs, Terrorist“finde, störe ihn klarerweis­e. Entscheide­nd sei, dass sich der Gewerbe- und Agrarort auf Wachstumsk­urs befinde.

Medien ähnlich (umfangreic­h) wie damals berichten? Freilich wäre eine Terrorseri­e ein mediales Topereigni­s. „Herausrage­nd, abweichend, normenverl­etzend“, getragen von „Negativism­us“– so charakteri­siert der Kommunikat­ionstheore­tiker Burkart Roland vom Wiener Publizisti­kinstitut die Gründe für die zu erwartende große Aufmachung. Dazu kämen „große öffentlich­e Relevanz“und „Betroffenh­eit“. Auch dass eine Zeitung in Absprache mit der Polizei eine Schlagzeil­e abseits der Realität und „nur“deshalb bringt, um den damals fast schon verzweifel­t gesuchten Täter nervös zu machen, darf von der heutigen Medienland­schaft erwartet werden.

 ?? APA ?? Im Februar 1999 stand Franz Fuchs vor dem Grazer Straflande­sgericht – und wurde zu lebenslang­er Haft verurteilt.
APA Im Februar 1999 stand Franz Fuchs vor dem Grazer Straflande­sgericht – und wurde zu lebenslang­er Haft verurteilt.

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