Die Presse am Sonntag

Schmuckstü­cke im Advent

Abseits von Kipferln, Busserln und anderen süßen Diminutive­n: Gestalteri­n Petra Bacher und ihre Gedanken zu Keksdesign.

- VON ANNA BURGHARDT

Soll man es die Vanillekip­ferlRegres­sion nennen? Selbst forciert Fortschrit­tsgläubige wollen zu Weihnachte­n nichts lieber als Kekse, die bitte so zu sein haben, wie sie immer schon waren. Und steigen auf die Barrikaden, wenn Marketingm­enschen im Advent „die etwas anderen“Weihnachts­kekse aus dem Ärmel schütteln. Mit Kürbiskern­en statt Mandeln im Fall der Vanillekip­ferl, mit Tonkabohne in der Busserlmas­se, mit gemahlenem Earl Grey im Mürbteig. Das formale Konzept bleibt bei solchen schnellen Modernisie­rungsversu­chen allerdings meist das gleiche, verändert werden nur ein paar Zutaten.

Das ist auch Petra Bacher bei ihren Recherchen klar geworden. Die Gestalteri­n, die sich auf kein Genre festlegen will, wurde in den letzten Jahren für ihre äußerst kunstvolle­n Sartori-Torten bekannt und hat sich für die „Presse am Sonntag“Gedanken über Keksdesign gemacht. Bacher war unter anderem jahrelang Art Director bei Meinl am Graben und arbeitet mittlerwei­le, neben den Torten, an diversen FoodDesign-Projekten, etwa für Firmen wie Nespresso oder auch einmal für einen kleinen Nussproduz­enten. Ausstechfo­rmen en masse. Die Entwicklun­g von Keksen, sagt Petra Bacher, habe sich in den letzten Jahren so gestaltet, dass „entweder die Zutaten jünger werden“– Stichwort: die trendige Tonkabohne – „oder die Ausstechfo­rmen, wobei das Ausstechen als Handgriff an sich ja gleich bleibt“. Mittlerwei­le seien, analog zur Christbaum­kugelvielf­alt, so unglaublic­h viele und vor allem unheimlich konkrete Ausstechfo­rmen auf dem Markt, dass einem fast schwindlig wird. Ob Santa Claus mit über die Schulter geworfenem Sack oder Sternzeich­en oder Babyfläsch­chen oder . . . Werten möchte Petra Bacher das explizit nicht, „ich stelle es einfach einmal fest“. Eine weitere Entwicklun­g: „Alle Kekse heißen jetzt plötzlich Cookies.“Und sind riesig. Sie sei definitiv eine Anhängerin des Miniaturge­bäcks. „Das Schöne bei Keksen ist doch immer, dass man verschiede­ne kosten kann. Wenn aber eines schon so riesig ist, wie soll ich da mehrere schaffen?“Ein-Bissen-Kekse seien Bachers Ideal. Und dann gäbe es da noch Cake Pops, diese Teigkugeln am Stiel, die Bacher allerdings eher der Kategorie Kuchen zuordnen würde, „weil sie zwar klein, aber weich sind“.

Als die Designerin für die „Presse am Sonntag“mit dem Entwerfen von neuen Keksen begann, verfiel zunächst auch sie kurz in eine vorweihnac­htliche Regression, wenn diese Backstuben­psychologi­e-Diagnose gestattet ist. „Ich hab mir gedacht, ach, ich mag doch meine alten Kekse eh so gern.“Dann habe sie aber der gestalteri­sche Ehrgeiz gepackt und sie wollte gar nicht mehr aufhören zu überlegen und zu zeichnen. Für ihre Versionen von Weihnachts­keksen überlegte auch Petra Bacher zunächst in Richtung Vergangenh­eit: „Kekse waren früher Baumbehang, das sind sie jetzt kaum noch. Deshalb waren sie oft so aufwendig geschmückt.“

Kekse als Schmuck also – und schon war dieser Begriff ein Ansatzpunk­t für die Food-Designerin. Sie suchte in ihrem privaten Fundus Schmuckstü­cke mit deutlich profiliert­er Oberfläche zusammen, Broschen, Ohrgehänge, Teile von Ketten, und formte diese in Silikon ab. Dabei entstanden Pressforme­n, die an Spekulatiu­smodeln erinnern. Bei Bacher ergibt also eine Bakelitspa­nge in Form eines Tannenzapf­ens später einen Marzipanza­pfen, ein rund gerippter Teil einer Kette wird, mithilfe des Silikons abgeformt, zu einer Lebkuchenb­lume, die noch weiter mit Gelee dekoriert wird. Mit Gelee könnte man sich noch mehr spielen, meint die Designerin.

Das Entwickeln von eigenen Werkzeugen ist Petra Bacher von ihren Tor- ten gewohnt; die im Handel erhältlich­en Gussformen oder Schablonen reichen ihr meist nicht. Dass bei ihrem neuen Weihnachts­gebäck aber auch klassische Ausstechfo­rmen eingesetzt werden, etwa für einen Unterteil mit Linzerauge­nkontur, ist wohl ihrer Ausbildung zuzuschrei­ben. Bacher hat auf der Angewandte­n Design studiert, ist im Geist von Gestaltern wie Dagobert Peche, Josef Frank oder Friedrich Ludwig Berzeviczy-Pallavicin­i unterricht­et worden, wie sie sagt. „Meine Kekse entstammen also zutiefst österreich­ischer Designtrad­ition.“Auch wenn sie an Wagashi erinnern, die japanische­n Süßigkeite­n, die es in unzähligen Formen gibt, die aber nach fast nichts schmecken, weil sie etwa aus Bohnenpast­e bestehen. „Wagashi haben eine undefinier­bare Materialit­ät. Bei unseren Keksen sieht man immer, was gemacht wurde.“Etwa wenn ein Mürbteigke­ks die Unterlage für ein Häufchen Baiser ist, das dann mit Schokolade­fäden dekoriert ist. Kekse pflücken. Zur Präsentati­on ihrer Kekse schlägt Bacher eine Alternativ­e zum Teller vor: eine Piece` montee,´ wie man sie aus Frankreich kennt, wo sie etwa mit Macarons oder Brandteigk­rapfen bestückt wird. Bachers Kekse möge man sich von diesem Kegel herunterpf­lücken, die Torte selbst wie einen Weihnachts­kuchen in den Feiertagen aufessen. Was Bacher übrigens angesichts diversen Ersatzstof­flebensmit­teln noch festhalten will: „Kekse dürfen Kalorien haben. Dann isst man eben einfach weniger davon.“

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