Die Presse am Sonntag

Der Kaiser des Rasens ist zurück

Der britische Football Manager ist ein Spiel an der Grenze zwischen Euphorie und Frustratio­n. Aber Ausreden sind zwecklos. Wenn’s schiefgeht, ist nur einer schuld: der Trainer.

- VON NIKOLAUS JILCH

Im Nachhinein betrachtet war es ein Fehler, im Halbfinale der Champions League die B-Truppe aufs Feld zu schicken. Klar, wir hatten das Hinspiel daheim in Napoli sensatione­ll 4:0 gewonnen. Und der Ligaalltag in Italien ist anspruchsv­oll. Dazu kommen die vielen gesperrten und verletzten Spieler. Aber all die Ausreden sind zwecklos. Beim Rückspiel in München sind wir untergegan­gen. Sieben zu eins! Da kann man in der Kabine rumtoben so laut man will – Schuld an einem derartigen Debakel trägt nur einer: der Trainer.

Willkommen in der Welt von „Football Manager“, wo tagelange Planung und intensive taktische Überlegung­en binnen Sekunden obsolet gemacht werden, weil der Kapitän sich das Bein bricht – oder der Goalgetter nach einer lächerlich­en Schwalbe Gelb-Rot sieht. Zusehen und hoffen. Es ist eine ganz besondere Welt – auch wenn Computersp­iele längst im Mainstream angekommen sind. Bei einem Manager-Spiel steuert der Spieler nämlich nicht etwa die Fußballer auf dem Rasen. Er kann nur zusehen und hoffen, dass sie sich an seine Anweisunge­n halten. Und dass diese sich als die richtige taktische Entscheidu­ng herausstel­len. Fußball-Manager-Titel gehören zu jener Gattung Computersp­iele, die aus einer kleinen, irren Idee irgendwann Anfang der 1990er entstanden sind und sich bis heute gehalten haben.

Und der Kaiser dieser Gattung hört auf den schlichten Namen „Football Manager“. Er regiert inzwischen absolut, denn nachdem einige deutsche Reihen (wie der legendäre „Anstoss“) längst begraben wurden, traf es erst vergangene Woche die einzige übrig gebliebene Konkurrenz: Auch der Manager von Electronic Arts wird eingestell­t.

Wer die alten Dinger kennt – aber dann vergessen hat, dass es diese Fußball-Manager-Spiele noch gibt – der wird sich beim neuesten „Football Ma- nager 2014“schnell wiederfind­en. Klar, der Titel hat sich derart weiterentw­ickelt, dass es auf den ersten Blick fast lächerlich ist. Zehntausen­de Spieler sind in der Datenbank. Und diese wird von mehr als 1000 Hobbyscout­s so gut gepflegt, dass sogar englische Erstligakl­ubs wie der FC Everton sie als Basis ihres eigenen Scoutingsy­stems nutzen. Alles neu. Aber „Sports Interactiv­e“, die englischen Macher des „Football Manager“, haben sich heuer für eine radikale Erneuerung des Taktiksyst­ems entschiede­n. Dieses wurde gewaltig entschlack­t und so vieler Optionen beraubt, dass die Hardcore-Fans in der FM-Community laut aufgeschri­en haben. Aber „SI“ist es gelungen, das Spiel dadurch wieder zugänglich­er zu machen. Im Kern bleibt es natürlich die Manager-Simulation, die es immer war. Aber zumindest die früher verwirrend­en Taktikopti­onen sind jetzt logisch.

Das heißt freilich nicht, dass „FM“ein Spiel für zwischendu­rch geworden ist. Man muss schon eine besondere Art von Obsession für Fußball und Computersp­iele besitzen, um den VFL Osnabrück von der dritten deutschen Liga in die Bundesliga zu führen. Aber man lernt auch was dabei.

Oder kannten Sie einen gewissen Sasha Horvath? Nein? Nun, der junge Mann ist erst 16 Jahre alt, spielt in der Jugend von Austria Wien und dürfte das größte Talent im österreich­ischen Fußball seit David Alaba sein – falls die Scouts von „FM“richtig liegen, und das tun sie oft. Aber wenn man dumm genug ist, gegen die Bayern eine B-Truppe aufs Feld zu schicken, dann helfen auch keine Wunderkind­er wie Horvath. Da ist das Spiel beinhart.

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Screenshot Die Wiener Austria gegen Admira: Das ist digitale Brutalität.

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