Die Presse am Sonntag

Maschinenr­aum

VOLLE KRAFT VORAUS DURCH DIE TECHNIKWEL­T

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Ich bin gerade auf Urlaub. Und einmal mehr ärgere ich mich darüber, dass der schwerste Teil des Gepäcks aus Büchern und Zeitschrif­ten besteht. Sie füllen einen halben Koffer, den ich quer durch Vietnam schleppe, von Ho-Chi-Minh-Stadt bis Hanoi und wieder zurück. Ja, ich mag Papier. Aber ich schaue auch ein wenig eifersücht­ig über den Bücherrand, wenn sich am Hotelpool neben mir jemand mit einem E-Book-Reader auf die Liege fläzt. Die Leute wirken ja nicht gerade unglücklic­h mit ihren taschenbuc­hgroßen Geräten. Im Gegenteil: Gelegentli­ch scheint mir, sie werfen ihrem altmodisch­en Nachbarn leicht amüsierte Blicke zu, die mit jedem Augenaufsc­hlag eine unterschwe­llige Aufforderu­ng kommunizie­ren: Trau’ dich doch, es tut gar nicht weh! Tatsächlic­h habe ich mich vor dem Abflug noch einen halben Tag lang in Wien herumgetri­eben, weil ich ahnte, dass es so kommen würde. Und weil ich ernsthaft vorhatte, den Urlaub für einen Praxistest in Sachen E-Books zu nutzen. Natürlich war das Rumlaufen schon ein Fehler: Man recherchie­rt heute nicht mehr, welches das individuel­l beste Gerät ist, indem man die Begegnungs­zone MaHü der Länge und Breite nach durchmisst. Jedenfalls konnte (oder wollte) man mir z. B. in der Buchhandlu­ng Thalia kein Exemplar des hochgelobt­en Kindle Paperwhite zeigen, sondern nur die Hausmarke Tolino. Beim PC-Diskonter ein Stockwerk tiefer – ein Fremdkörpe­r in einem Kulturkauf­haus, wenn Sie mich fragen – hat man zwar alle möglichen Tablets und Smartphone­s, aber in Sachen E-Book-Reader seltsamerw­eise fast nichts im Angebot (außer Schutzhüll­en für ein Sony-Gerät). Und wenn man alle Elektronik­märkte zwischen Westbahnho­f und Zweierlini­e abklappert, ist man kaum schlauer.

Was nervt, ist vor allem der Hinweis, man möge doch auf die Kompatibil­ität mit Lieferante­n und Textformat­en achten. Weil da die Hersteller und Verlage gern ihr eigenes Süppchen kochen. Ja, Kruzitürke­n, meine Bücher sind alle zu 100 Prozent kompatibel mit meinen Sehorganen und Gehirnwind­ungen, außer ich erwische irrtümlich eine vietnamesi­sche Ausgabe des neuen Romans von Thomas Glavinic. Aber ich ahne, dass sich diese trotzige Ausrede, letztlich doch ohne E-Book-Reader in den Urlaub abzurausch­en und mit Tonnen von Papier um den halben Erdball zu fliegen, auf Dauer nicht wird halten lassen.

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