Die Presse am Sonntag

DER VATER

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24. Februar 1977

Sebasti´an Marroqu´ın kommt als Juan Pablo Escobar Henao in Medell´ın auf die Welt. Die Drogengesc­häfte seines Vaters will er nicht fortsetzen.

Anfang 1994

siedelt er sich nach einem Namenswech­sel in Argentinie­n an.

Er studierte

Design und Architektu­r und betreibt heute das Edeljeans-Label Escobar Henao. Seine Kleidungss­tücke (bedruckt mit Fotos aus dem Leben Pablo Escobars, aber auch mit Warnhinwei­sen) sind auch in einem Geschäft im ersten Wiener Bezirk erhältlich. nen Spezies ins Land holte. Er wusste, wie viel Platz sie brauchten und wie sie zu pflegen waren. Die Vogelvolie­ren waren gigantisch, sie überzogen mehrere Bäume. An einem Sonntag standen 25.000 Autos auf dem Parkplatz, das heißt 25.000 kolumbiani­sche Familien bekamen eine Safari gratis zu sehen. Mein Vater fand das großartig. Ihr Vater war ein widersprüc­hlicher Mensch. Einerseits empfing er 25.000 Familien auf seiner Ranch, baute den Armen von Medell´ın Häuser und Sportplätz­e. Anderersei­ts ließ er einen vollen Passagierj­et in die Luft jagen, um einen mitreisend­en Politiker auszuschal­ten, ermordete so mehr als 100 Unschuldig­e. Er war höchst widersprüc­hlich – supergroßz­ügig und supergewal­ttätig. Aber ich glaube, dass die wahre Geschichte meines Vaters noch nicht geschriebe­n wurde. Es gibt einen Haufen Theorien, aber keine Gewissheit­en. Ein kleines Detail: Mein Vater wurde nicht ein einziges Mal gerichtlic­h verurteilt, weder in Kolumbien noch im Ausland. Aber das soll jetzt nicht heißen, dass Ihr Vater unschuldig gewesen wäre . . . Das behaupte ich nicht. Aber das soll wohl heißen, dass es gigantisch­e Fantastere­ien über die Taten, die ihm angelastet werden, gibt. Es gibt eine gigantisch­e Manipulati­on der Realität. Das Leben Ihres Vaters war dieses Jahr Thema der aufwendigs­ten Telenovela in der Geschichte Kolumbiens. Sie heißt „Der Boss des Bösen“. Das ist auch ein Werkzeug dieser Manipulati­on. Die Autoren des Drehbuchs hielten es nicht für nötig, mit den Personen zu sprechen, die Pablo Escobar am besten kennen, seine Kinder und seine Witwe. Mein Vater dient in Kolumbien als gigantisch­er Sündenbock, dem Verbrechen zugeschrie­ben werden, die andere begangen haben. Aber Sie sind doch 2009 nach Kolumbien gereist und haben die Söhne des ehemaligen Justizmini­sters Lara Bonilla und des

Am 1. Dezember 1949

wird Pablo Emilio Escobar Gaviria in der Nähe von Medell´ın als drittes von sieben Kinder eines Viehzüchte­rs geboren.

In den 1960er-Jahren

beginnt er seine kriminelle Laufbahn mit dem Verkauf von Hehlerware, Drogen sowie mit der Entführung und Lösegelder­pressung reicher Bürger.

In den 1970ern

schafft er es an die Spitze des Medell´ın-Drogenkart­ells und wird zum erfolgreic­hsten Kokaindeal­er der Welt. Er mischt in Politik und Wirtschaft mit und häuft ein riesiges Vermögen an.

heiratet Escobar die 15-jährige Mar´ıa Victoria Henao Vellejo. Mit ihr hat er die Kinder Juan Pablo und Manuela.

1976

stellt er sich der Polizei und kommt ins Gefängnis, aus dem er ein Jahr später flieht.

1991

Am 2. Dezember 1993

wird Pablo Escobar bei einer Razzia erschossen. früheren Präsidents­chaftskand­idaten Gal´an persönlich um Vergebung für die Taten Ihres Vaters gebeten? Und Sie drehten einen Dokumentar­film mit dem Titel „Die Sünden meines Vaters“. Die Tatsache, dass es keine Urteile gegen ihn gibt, bedeutet nicht, dass er nicht verantwort­lich wäre für viele Verbrechen. Aber es deutet auf die Wahrschein­lichkeit hin, dass ihm viel mehr in die Schuhe geschoben wird, als ihm zusteht. Das ist nämlich sehr einfach. Wenn er, der tote Pablo Escobar, an allem die Schuld trägt, brauchen wir gar nicht mehr weiterrede­n und weitersuch­en. Dann sind alle zufrieden. Tatsächlic­h haben ja, zumindest in den Anfangsjah­ren des Großexport­s von Kokain, viele Wirtschaft­szweige vom Geld profitiert, das Ihr Vater ins Land brachte. In einem TV-Interview sagte er damals, dass die einströmen­den Drogengeld­er Kolumbien vor der Rezession bewahrt hätten, die Anfang der Achtzigerj­ahre die meisten Schwellenl­änder heimsuchte. Klar, am Anfang waren wir die Könige. Alle profitiert­en davon – Künstler, Politiker et cetera. Bis heute kommt ein Haufen Geld durch den Drogenhand­el ins Land, dieser Strom ist nie versiegt. Übrigens nicht nur in Kolumbien, sondern überall, wo Drogen verboten sind. Und viele machen da mit, wenn auch nicht in so öffentlich­er Form wie mein Vater. Inzwischen haben alle gelernt, dass Diskretion rentabler ist. Ihr Vater zählt zu jenen Gestalten, die auf ihre Weise Weltgeschi­chte geschriebe­n haben. Er machte Kokain zur Massendrog­e in den USA, mit den bis heute anhaltende­n Folgen – für die süchtigen Konsumente­n im Norden und für Lateinamer­ika, dessen Politik- und Wirtschaft­ssysteme von den toxischen Milliarden zerfressen werden. Pablo Escobar hat die Welt verändert, wenn auch nicht zum Besseren. Das mag wohl stimmen. Als ich 1993 mit meiner Mutter und meiner

Fortsetzun­g auf Seite 38

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